Letzte Sätze 23 – Mary Maclane – Ich erwarte die Ankunft des Teufels

“Es ist ein inwendiges Sterben, das nie zu Ende geht. Es ist die Bitterkeit des Todes, das zur Bitterkeit des Lebens hinzukommt.
Welche Hölle gleicht dem Leben eines kleinen, schwachen Menschen, der auf die Erde kommt – und alleingelassen wird?Es gibt Menschen, die leben und genießen. Aber meine Seele und ich – wir finden das Leben zu bitter und zu schwer, um es alleine zu tragen. Zu bitter und zu schwer. Oh, könnten meine Seele und ich jetzt zu diesem Moment verschwinden, für immer!

13.April

Ich sitze und schreibe, draußen auf meinem Sand und meiner Ödnis. Im Westen ist der Himmel nun blass und verwaschen, aber vor einigen Minuten war dort noch das selbe alte ewig neue Wunder der Rosen und des Goldes, und ein Blinken und Glühen von Silber und Grün, und ein Fluss aus Zinnober und Purpur – und schließlich die liebe, die schöne: die rote, rote Linie.
Es sind auch schwere, schwarze Schatten da. Ich habe mein Herz all dem in Obhut gegeben. Und wie immer sehe ich es – und fühle alles mit durchdringender Leidenschaft – und warte auf die Ankunft des Teufels.”

Mary MacLane – Ich erwarte die Ankunft des Teufels
Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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10 Comments

  1. Hier pumpt und pulst das Leben deutlich vernehmbar durch jedes ihrer Worte. Sie sprengte damit den Rahmen vorgestellter Bilder der Weiblichkeit in jener Zeit wie ein Korsett. Beim Lesen knallen dann die zu engen Fischbeinstäbe nach allen Seiten weg und schlagen neu in Forellengrün aus. So ist Mary McLane eben: so ganz eins und zerrissen zugleich. Und unbedingt lesenswert. 🙂

    Liebe Grüße
    Amélie

    • Liebe Amelie,

      Interessant für mich ist ihre Interpretation der Rolle des Teufels in ihrem „zukünftigen“ Leben und die Hoffnung auf die Kräfte die er in ihr erwecken könnte, wäre er denn schon in ihr Leben getreten. Der Teufel ist ja in ihrem Fall nicht nur das Negativum Gottes. Sie stellt ihn nicht als „frontman“ dem christlichen Glauben gegenüber. Ihr scheint der Teufel eher als Inkarnation all der Tugenden, die in ihr schlummern, und die nichts anderes sind als die Überwindung der Leere und des Nichts, in deren Klauen sie sich „noch“ befindet.

      Liebe Grüße

      Achim

      • Lieber Achim,
        In ihrer von Gott und Menschen jener Zeit herzlich unverstandenen Verzweiflung, kam sie zu der für mich nachvollziehbaren Annahme, dass ihre weiblichen Tugenden teuflischer Natur sein müssten, denn für Gott ist sie ja nach Ansicht der Menschen eine wertlose Frau und sündig durch Geburt. Sie sucht eher nach einem Gefährten als nach einem Dominus. Hinein in ihre Imago des Teufels, in ihr Ideal fließt ihre Lust und sie entspringt auch dort. Streng fromm genommen ist Lust und ihr Ausdruck Sünde. Mit dem Teufel verbindet sie nicht nur das Gefühl einer inneren Fülle sondern er rechtfertigt sogar ihr Dasein und erklärt es.
        Mary McLanes Teufel-Mann ist pure Liebe.
        Bei dieser Lektüre sind bestimmt ein paar keusche und tugendhafte Damen vor Schreck in ihrem Bett, mit der Petroleumfunzel unter der Bettdecke in Ohnmacht gefallen und träumten höchst heimlich von Selbstbefriedigung.:>)
        Liebe Grüße von
        Amélie

    • Seltsam optimistisch gedreht. Ich staune.
      Würde eher nach’nem Strick suchen, wenn ich gezwungen wäre, das länger als eine Seite lang lesen zu müssen.

      • Geben Sie dem Teufel einen neuen Anstrich und schon nehmen Sie Teil an der Umkehrung der Weltansicht: Die Verzweiflung als kreative Energie, die Melancholie als Faustpfand eines auf die persönliche Zukunft gerichteten Optimismus. Das Schwere, Dunkle als das spätere auf leuchtende Licht.

        • naja, auf die Dosierung kommt es an – und da wäre das Schreiben dieser Dame für meinen Geschmack schon die Überdosis.

      • Bitte nicht gleich nach einem Strick suchen…es gibt doch auch noch andere tolle und starke Erzählerinnen….Simone de Beauvoir…Virginie Despentes…oder wie wäre es mit Virginia Woolf…?😉

        • Keine Bange, ich kenne ja von der Dame nicht mehr, als was hier oben zitiert wurde. (Und mehr wird’s auch nicht werden.)
          Beim Thema starke Erzählerinnen würden mir Wollstonecraft-Shelley und Ingeborg Arlt zuerst einfallen. Oder des Kultes halber die Welskopf- Henrich. Hat halt jeder so seins…

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