Message from the quarantine 19

Was will ich mehr, als dass ein kleines Meer von Zeichen mich tröstet?

Das erste Relikt, welches zukünftige Archäologen des Anthropozän freilegen werden: Die totgeschlagene Debatte.

Vielleicht besonders notwendig in dieser besonderen Zeit: Eine Kaste von Ironikern, also jenen Menschen, die ihre Bindung an das eigene Vokabular gelockert haben, immer wieder lockern, und die nicht meinen, dass ihr eigenes, abschließendes Vokabular der Realität näher sei als Vokabular der anderen.

Nach Richard Rorty sind Ironiker Menschen, die die Philosophie von ihren kognitiven und metaphysischen Bestrebungen befreien und philosophische Texte wie literarische Texte lesen. Ironiker sagen von einer Behauptung nicht, sie sei wahr, sondern sagen, dass jede Behauptung bestenfalls, im Licht unserer gegenwärtigen geteilten Standards, als gerechtfertigt gelten kann.

Dies mögen sich bitte alle Hardliner der zu Markte gezerrten Wahrheitsansprüche hinter die Binde kippen. Das Virus ist den Versuchen gerechtfertigter Behauptungen immer einen Schritt voraus.

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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5 Comments

  1. “Das erste Relikt, welches zukünftige Archäologen des Anthropozän freilegen werden: Die totgeschlagene Debatte.” – Ein ganz bemerkenswerter Gedanke, lieber Achim.
    LG, und bleib’ gesund,
    Pit

  2. Zur totgeschlagenen Debatte wäre es wert viele viele Sätze zu schreiben. Mir ist das kürzlich bei der Lektüre eines Buches, in dem es vordergründig gar nicht um politische Diskurse geht, klar geworden. Wann hat das angefangen? Das Totschlagen? Ist es auch eine “Nebenwirkung” der sozialen Medien, dieser unkontrollierbaren Redefreiheit für jeden Einzelnen? Brauchen wir also doch Zensur, um Debatten zu führen? Oder “nur” Ordnung und Übersichtlichkeit, um einander zuhören zu können? Das ist ein ebenso komplexes wie fundamental wichtiges Thema. Danke, dass du es noch einmal an meine Gedankenoberfläche gespült hast.

  3. Eine gute Frage, die du stellst. Wann hat es angefangen. Ich vermute einmal, dass es das schon zu analogen Zeiten in jedweder, auch heute anzutreffender Form gab. Was hinzugekommen ist sind die rasant sich bildenden Echokammern, die Filterblasen und die potenzierte Lust am Destruktiven, da der Feind jederzeit geortet werden kann und dieser sich mit den exakt gleichen Mitteln äußert. Irgendwie scheint es keine Sieger in Debatten mehr zu geben. Die Unentschiedenheit dort führt dann zur Form der Rasereien. Und vor allem, wo sind die Mediatoren, die Instanzen und Autoritäten, die den Disput durch Empfehlungen an die Kontrahenten entschärfen oder gar beenden könnten?

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