Message from the quarantine 18

Dezibelterror der Osterglocken. Während ansonsten jeder Nachbar die vollziehende Staatsgewalt auf den Plan ruft, um das Musikgedudel auf den Wiesen, dem Vorgarten, aus den offenen Fenstern etc. zu verbannen, bleibt es im Geviert ruhig.

Die Glocken läuten in einer Monotonie, die dem Akt der Einübung der 10 Gebote in der Kindheit gleicht. In Dresden gibts die Frauenkirche und ich verstehe nicht, warum Frauen keine Frauenkirche gründen. Und man komme mir jetzt nicht mit der guten alten Tradition. Diese ist nicht mehr als die Verleugnung der Gegenwart, der spiessige Muff aus 2020 Jahren.

Ein erster Schritt: Maria von Magdala vom Status der Heiligen befreien. Ich denke, dass es unter ihrer Würde ist, sie als Schutzpatronin der Verführten, der reuigen Sünderinnen, der Schüler und Studenten, der Weinhändler, Handschuhmacher usw. zu feiern. Sie sitzt am Katzentisch des Katholizismus, und schnell welkt sie als schmückende Dreingabe dahin. Wenn ich ein Augenleiden habe, sollte ich mich bei ihr melden. Auch bei Gewitter und bei Auftreten eines dafürgehaltenen Ungeziefers könnte es wohl sinnvoll sein, sie anzurufen. Bei der Familienaufstellung christlicher Heroen steht sie am Rand.

Also, liebe Frauen, revoltiert gegen die irdische Gerichtsbarkeit Gottes. Gegen den Clan der rauschebärtigen Patriarchaten und ihrem weißen Rauch aus der Sixtinischen Kapelle. Furcht vor Exkommunikation? Geschenkt. Die Kirche zu überwinden heißt ja nur eine neue zu errichten, eine irdische. Ohne die Dauerbrenner Sünde und Schuld, Eucharistie, Fegefeuer et al. Die endlich aufräumt mit dem aberwitzigen Festhalten an dem Konzept der Unsterblichkeit und den semantischen Verrenkungen, um dann doch den Löffel ihres Nachweises immer wieder abzugeben.

Und die aufräumt mit der Suspension des Denkens, dem allenfalls, nach Kant, so zu tun sein sollte, als ob es Gott gäbe. Als Behelfskrücke, als ein paar Gramm Opium für die mühselig Beladenen. Mehr ist für Kant nicht drin in der Wundertüte eines Nachweises der Existenz Gottes. Und auf den berühmten Satz des Iwan Karamasov “Wenn es Gott nicht gibt, dann ist alles erlaubt” kann man antworten: als ob es mit Kirche nicht noch schlimmer gekommen wäre.

Sollte der wiederauferstandene Mensch nicht einmal bei seinen ehemaligen Nachbarn klingeln, seinen Liebsten und Freunden, um zu sagen, dass es ihm gut geht, im Jenseits? Liebe Güte, könnte das einem Glaubensschub Vorschub leisten. Missed chance.

Bis hierhin gekommen fühlt sich das oben Gesagte zu Frauen und ihrer eigenen Kirche wie eine contradictio in adiecto an. Der Feminismus braucht keine neue Kirche. Er benötigt gar keine. Maria Magdalena benötigt er vielleicht schon, für irdische Zwecke, für sexuelle Selbstbestimmung, vielleicht.

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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14 Comments

    • Ich nehme das jetzt mal als Kompliment für den Feminismus 😉Die Dialektik, mithin das richtige Diskutieren, Argumentationsformen, Trugschlussvermeidung, das sind ja nicht unbedingt die Stärken des Maskulinums 🙂Immer locker machen und raus aus der Schrödingerkiste: die Katze lebt.

      • Die Erstarrung, das platte Welt- (bzw. Feind)bild – das Einschwören auf den einen unfehlbaren schmalen Pfad der Verheißung … so meinte ich das.

        • Mir schon klar wie Sie das gemeint haben. Am Anfang tut sich jeder (Mann) damit schwer. Die Dinge die Sie da aufzählen, muten mir eher aus der Ecke des Patriarchats kommend. Den Rest übernimmt das Phänomen der Übertragung. Bleiben Sie gesund.

    • …der Feminismus geht von Bedürfnissen nach Freiheit und Gleichberechtigung aus, die Scholastik hingegen verarbeitet christliche Dogmen….das kann ich leider in keinen vernünftigen Zusammenhang miteinander bringen. Scholastik der Gegenwart klingt richtig hammermäßig. Miau.

      • Und es ergeht ihm wie dem Sozialismus. Großes wollend (Gleichen Lohn für gleiche Arbeit), dabei aber nicht vorankommend, feiert er Siege des Sektierertums: Die -in Endung soll Dogma werden. Schmäht Märchen als frauenfeindlich, fälscht Geschichte (neulich “unsere wunderbaren Jahre) usw. Ich habe nichts gegen eine vernünftige Gleichberechtigung.

        • Sozialismus ist eine Weltanschauung. Feminismus ist eine Forderung nach Gleichheit. Also etwas ganz anderes. Ist Gleichheit groß? Fraglos und eine ansprechende Endung sollte im Sinn einer Gleichheit gar keine Frage sein. Im Gegenteil wäre viel eher die Frage zu stellen, warum nicht bereits von Anfang an, Frauen mitangesprochen wurden? Das wiederum war ein Ergebnis des Patriarchats. Der Feminismus mag dominant erscheinen, doch eigentlich fordert er nur ein an sich selbstverständliches Recht auf Gleichheit ein. Fraglos treiben manche feministische Aktivitäten die eigentliche Intention ad absurdum. Fraglos gibt es Ungerechtigkeit, die Männer aufgrund Sexualisierung ebenfalls hinnehmen müssen. Ein Nebeneinwurf: Das Gesicht dieser Krise trägt überwiegend ein männliches Gesicht. Ein Spiegel dessen, wie es um die Gleichberechtigung in Führungspositionen zwischen Männern und Frauen tatsächlich bestellt ist. Allerdings gibt es Frau Merkel und sie ist wiederum ein Zeichen, ein positives. Weder hilft Anklagen in die eine noch in die andere Richtung. Eher wäre es wünschenswert, es würde mehr miteinander diskutiert, mehr argumentiert – mit gleichen Stimmrechten und am besten auch ohne Vorurteile und auch Kater laufen auf samtenen Pfoten. 🙂

          • Sozialismus ist eine Weltanschauung. Und Feminismus auch. Beide tragen ein Ideal von Gleichheit vor sich her. In der Praxis führten ihre militanten Verfechter die schöne Theorie ad absurdum. Matriarchat und Patriarchat sind rote Tücher auf die das Rindvieh gelenkt wird, damit es den Degen des Torero nicht sieht.
            Ich habe nichts gegen Gleichberechtigung. Einigen wir uns auf Inge Meisel, die sich immer durchzusetzen verstand und von beiden Geschlechtern verehrt wurde?
            “Frau Meisel. Würden Sie sich als eine emanzipierte Frau beschreiben?“
            “Ach lassen Sie mich doch mit dem Quatsch in Ruhe. Ich bin eine normale Frau.“ TV Interview ca 1982
            Frohe Rest-Ostern.

            • Im Ernst? Inge Meysel? Au weia kann ich da nur sagen. Die, die von sich selbst behaupten, „normal“ zu sein, müssen das betonen, sonst glaubt es am Ende niemand. Ohne aggressiven Feminismus würden immer noch Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil sie gerne mitreden würden. Der Sozialismus erwuchs aus finanziellen Gründen, der Feminismus war ein Aufschrei von Unterdrückten, nicht wegen sozialer Ungleichheit aufgrund unterschiedlicher wirtschaftlicher Verhältnisse und Ungleichheiten, sondern wegen Ungleichheit wegen Geburt. Eine Entsklavung, gewissermaßen. Ihn mit Sozialismus gleichzusetzen, ist ein Vergleich von wirtschaftlichen Machtinteressen mit Menschenrechten, oder? Ist das denn gleichzusetzen?
              Inge Meysel sei verziehen.
              Sie war für die Idee der Gleichheit der Geschlechter zu alt und überdies die Mutter der Nation.
              Sie war zu schlau , die Söhne der Nation an den Ohren zu ziehen. Die bezahlten nämlich ihre Gage.
              Frohe Restostern

  1. Lieber Achim,
    Der Glaube beginnt genau an der Stelle, wo die Vernunft mit ihren Erklärungen versagt.
    Frauen brauchen keine Religion und keine Kirche. Sie brauchen auch keinen Rauschebartgott, keinen Allah, keine virilen Leitbilder. In einigen katholischen Kirchen kannst Du heute schon lange Reihen leerer Frauenschuhe sehen. Sie führen vom Altar weg und hinaus aus der Kirche. Diese Bilder sprechen Bände wie es mit der Meinung der Frauen über die Dogmen der katholischen Kirche bestellt ist. Es ist erst der Anfang, wie ich hoffe. Und Frauen können männliche Unterstützer und Fürsprechstimmen wie Dich ausgesprochen gut brauchen. Eine gleichberechtigte Gesellschaft ist stärker als eine kranke, in der eine sexuelle Zuordnung irgend eine bewertende Rolle spielen muss. Und weshalb? Weil von Kirchenvätern und Politikvätern im Mittelalter einhellig beschlossen wurde, Glauben mit Vernunft zu erklären?
    Papst Franziskus behauptet, Frauen seien von Natur aus gütig und zärtlich.
    Errare masculinum est…?

    Liebe Ostermontaggrüße,

    Amélie

  2. Liebe Diskutanten, ich habe durch eure Ausführungen einiges gelernt. Dafür möchte ich mich bedanken, ohne mich weiter dazu selbst zu äußern. Eure Kommentare sprechen für sich.

    Liebe Grüße
    Achim

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