Albert Camus – Revolte

“Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher,
dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.”
(Blaise Pascal)

Mein Balkon, sonnenschirmbewehrt. Blumenkästen, Pflanzenkübel, das Gitter davor, das ich mir habe erhöhen lassen. Ich neige zu Schwindel, wenn ich vier Stockwerke hoch in die Tiefe schaue. Alles davon eine Bewehrung. Aus dinglicher Bewehrung folgt mentaler und emotionaler Schutz vor dem Da-Draußen. Es funktioniert, ohne mich in die Obhut eines  Zustandes geistiger Umnachtung zu begeben.

Nach Albert Camus ist das Absurde das Resultat der  Erfahrung, dass zwischen unserem  berechtigten, aber letztlich vergeblichen Streben nach Sinnhaftigkeit des Daseins, und der Tatsache einer sinnentleerten Welt eine unüberbrückbare Kluft bestehe.

Wir reiten aberwitzige Attacken gegen diese Erfahrung. Hedonismus, Selbstoptimierung, Koma-Saufen, Partyschlachten, Brot und Spiele, Eucharistie Feiern,  Selbstausbeutung,  etcpp.

Sind oben aufgeführte Akte nach der Camus’schen Terminologie lässliche Versuche, die Hoffnung gegen das Absurde zu immunisieren? Es gar zu akzeptieren? Gegen es zu revoltieren? Sich gegen die Resignation zu stemmen?  Nach der Art: Einen Jux daraus wollen wir uns machen? Oder würde ihn schaudern, weil er zurecht vermuten könnte, dass uns der Dampfkessel der hyperaktiven Kompensationen  irgendwann  um die Ohren fliegt? Die Welt, wie sie sich uns nun präsentiert, scheint diese Vermutung zu bestätigen.

Um dem Dilemma einer sinnentleerten Welt zu entkommen, eröffnet Camus drei Möglichkeiten. Erstens, den Selbstmord, den er aber verwirft, da er die Welt noch sinnloser zurücklässt als sie es schon ist.
Zweitens, den Glauben an ein Reich der Transzendenz, an eine Idee oder an ein (göttliches) Wesen. Unerheblich dabei sei, ob dieser Glaube religiöser, spiritueller oder abstrakter Natur ist. Auch den Glauben verwirft er, weil dieser sich über die Tatsache der Absurdität des Daseins stelle und einen Sinn lediglich vorzugaukeln in der Lage wäre und zudem jede Form der Transzendenz sich zu erklären hätte, wie und warum das Leid in die Welt kommt.
Drittens, den aktiven und auf sich allein gestellten Mensch der inneren Revolte der sich gegen das ihm auferlegte Schicksal stemmt. Er nimmt es an, lebt damit und am Ende ist er auf eine je eigene Weise damit  zufrieden.

Die hedonistischen, lustvollen Spiele sind erst einmal vorüber. Die Überwindung der Sinnlosigkeit hat bis auf Weiteres in den eigenen vier Wänden stattzufinden. Die auferlegte  Ruhe kann den Druck vom Kessel nehmen. Wir können uns überlegen, ob wir einen anderen Weg wählen wollen, anstatt uns im Hamsterrad der geilen Sensationen endlos abzustrampeln, mit allen Konsequenzen, die uns Vergnügungssucht und Selbstverleugnung abverlangen.

Die Angst, die uns bei der Umkehr begleiten wird, kommt einem Schwindel gleich. Die “Angst vor mir selbst” , wie Jean-Paul Sartre sagte Die Angst davor , handelndes Subjekt zu sein, anstatt passives Objekt der Umstände, die uns u.a. das Virus auferlegt und seine noch nicht absehbaren Folgen.

 

 

 

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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