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Message from the quarantine 9
“Es gibt kein Schicksal,
dass durch Verachtung
nicht überwunden werden kann.”
(Albert Camus)
Message from the quarantine , die neunte.
Ich setze mich der Sonne aus. Noch gibt es die Frist, sie genießen zu können, bevor sie mir thermisch auf den Leib rückt. Die Isolation schärft meine Sinne. Die Stille bringt sie wieder ins Spiel. Oder die Demut, von der ich immer annahm sie sei die kleinste der Schwestern netter Gefälligkeiten. Aktuell ist sie geschwisterlos, ein Einzelkind, sich seiner selbst gewiss, ohne dem Terror geschwisterlicher Auseinandersetzungen ausgesetzt zu sein.
Manche glauben, das Virus sei die Strafe der Götter. Ergänzend wäre mit Einstein zu sagen, dass die Zufälle Gottes Art sind, anonym bleiben zu können. Das Erscheinen des Virus in unseren Vorhöfen ist jedoch keine abzuwinkende zufällige Kleinigkeit. Es agiert, raubtierhaft, nach den Gesetzen der Evolution. Für den theistischen Gott also kein bequemer Anlass, sich vom Acker zu machen. Dem Gott des Deismus dagegen ist das Wirken eines seiner kleinsten Geschöpfe völlig egal. Er hat die Welt erschaffen und es sich dann irgendwo bequem gemacht.
Für den theistischen Gott ist das Versteck keine Komfortzone. Für ihn steht einiges auf dem Spiel. Ist die Krise für ihn Aufforderung genug, auf die Bühne des Weltgeschehens hinabzusteigen, um hienieden selbst einmal Stellung zu nehmen zur ungeklärten Frage der Theodizee, der Frage also nach seiner Verantwortung für das Unheil, das Leid, das Übel, welches über uns kommt?
Ich befürchte er wird es nicht tun. Vielleicht dann, wenn der letzte Mensch diese Frage an ihn richtet? Ich befürchte er wird es nicht tun. Denkt sich der letzte Mensch: So weit bin ich also gekommen, alle Fragen sind mir ausgegangen und auf die Antworten pfeife ich getrost?
Er wird sagen: Leibnitz’ beste aller Welten, welche vom Schönen spricht, die am Bösen nicht vorbeikommt, da das Schöne nur durch das Schreckliche erst aufscheinen kann, diese Welt kollabiert. Darüber philosophische Grübeleien anzustellen ändert nichts an den thermonuklearen Wahrheitsansprüchen des Universums.
Wir, die wir immer noch in vergleichsweise paradiesischen Zuständen leben, gemessen am Schicksal, das unserem Planeten in einer kurzen Ewigkeit bevorsteht, wir werden die Toten der Pandemie zählen. Ob deren Zahl an die Hekatomben Toten heranreicht, die wir in den Revolten gegen die Vernunft zu verantworten haben und hatten? Daran sollten wir nicht glauben müssen. Die Verachtung gegen das Schicksal kann das Gebot der Stunde sein, bevor wir es uns zu sehr in der Vorstellung eines kollektiven Selbstmords bequem machen. Revoltieren wir.