Weihnachten

Weihnachten ist die Kunstpause vor dem nächsten Infarkt. Man darf einmal ausseufzen, ein bisschen Frieden spielen. Achtsamkeit üben, dieses Monster nach innen gerichteter Selbstzufriedenheit. Draußen, abseits des fetten, heimeligen Kokons dreht sich Scheibe weiter. Nach innen gehört, nach draußen taub. Verfettetes Herz, eine Prise Koks und Empathie. Wer den Zynismus der 4 1/2 Wochen Seelenentlastungskur durchschaut, dem sollte es mulmig werden angesichts des Konsumterrors, der sich auf den Krabbel -und Gabentischen wettkämpfend austobt. Die Fortsetzung der Ereignisse, diesmal in Moll. Weihnachten exekutiert, denn gefeiert. Die Feier, auf die Schrecken des Jahres bezogen, ein Psychodelirium. Weiter nichts. Weihnachten ist die in Zuckerguss gepackte willentlich ausgelebte Weltfremdheit. Niemand scheint es zu kümmern, dass der monotheistische Offenbarungsglaube für ultimative Eskalationen sorgt, mit seiner eigenen Konfliktlogik. Das Offenbare scheint so offenbar nicht zu sein., wenn man die verschiedensten Lehren der Offenbarung zugrunde legt. Was macht man mit denen, welche die Vermutung äußern, dass erst das Erlösungsbedürfnis Zustände herbeiführt, von denen man gerne erlöst wäre? Gegen die massive Abwertung des Innerweltlichen und seine desaströsen Folgen für ein gutes Leben haben kluge Köpfe wie Nietzsche, Goethe und Spinoza Einspruch eingelegt. Wie wäre es, den großen Narrativen der Christologie den Hahn abzudrehen, die irdischen Grausamkeiten zu bekämpfen, anstatt sich dem Jenseitsglauben hinzugeben wie ein Mündel dahindämmernder Verantwortungslosigkeit?

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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4 Comments

  1. Lieber Achim,
    Weihnachten rumpelt in Dir offensichtlich noch schlimmer herum als in mir. Dann sitze ich wieder einmal wie so ein Wackeldackel auf der Hutablage Deiner Worte.
    Auch mir setzt diese Zeit schwer zu. Nicht nur, wenn ich daran denke, wie Weihnachten auf dem Wühltisch des Klischeekonsums verramscht und verhökert wird.
    Gestern war mein Sohn zu Besuch: Ich hasse Weihnachten, sagte er.
    Obwohl ich selbst diesem ganzen Gerummele wenig bis nichts abgewinnen kann, war ich traurig, sehr sogar. Eine Weile lang saß ich einfach nur da und sah ihn an, während in meinem Kopf Worte rotierten, etwas, das ich ihm hätte sagen können zu Weihnachten, warum es nicht hassenswert ist und warum ich es immer auch lieben werde.
    Obwohl in der Adventszeit mein geliebter Onkel durch einen schrecklichen Unfall starb und obwohl nur zwei Monate später meine Lieblingstante ihm folgte und obwohl diese Weihnachtszeit für mich auch immer ein Spießrutenlauf durch die glücklichen Erinnerungen ist, als die mir frühere Feste heute erscheinen wollen.
    Also sagte ich ihm, dass ich traurig sei, sehr sogar und er fragte warum. Und ich sagte, weil mein wohl schönstes Weihnachtsgeschenk meines ganzen Lebens immer nur Du sein wirst. Du heißt sogar Weihnachten. So nannte ich Dich, weil ich mir schwor, dass ich diese Art froher Botschaft immer würde verstehen wollen. Irgendwie und jenseits dieses ganzen Konsumterrors. Darum und weil meinen Eltern das Fest auch so viel bedeutet, feiere ich ich es mit und habe dabei meinen ganz eigenen Grund dafür. Nicht nur der, dass ich überreich beschenkt wurde, vor nun fast 21 Jahren sondern auch, weil ich mich inzwischen über jedes Fest freue, das meine Eltern noch beide mitfeiern können.
    Sie erzählten mir mal, dass Weihnachten früher ein sehr armes Fest war. Bei diesem Fest feierten die Familien, dass sie noch vollzählig waren. Mam erzählt manchmal von den Kriegsweihnachten, den Jahren, als unter dem Weihnachtsbaum der Hunger regierte. Und da, erzählte sie, feierten wir unser Zusammensein als Familie. Auch in den Jahren, als mein Vater in englischer Kriegsgefangenschaft war.

    So…verstehe ich das Fest heute auch noch und ich erzählte meinem Sohn, dass ich mich an jedes Weihnachtsfest mit meiner Familie noch erinnern kann, mehr oder weniger gut. Doch daran, dass sie alle da waren, es noch sein konnten. Auch meine Großeltern, Onkel und Tante. Es ist gut, diese Erinnerungen zu haben. Heute sind sie ein Stück Glück, sogar wenn die Familie stritt, was häufig vorkam. Das kann mein Sohn vielleicht jetzt noch nicht verstehen. In ihm ist noch zu viel unausgewogen und auch unerfahren um zu wissen, dass Weihnachten wenig damit zu tun hat, Geschenke einzukaufen, einen Baum anzuschleppen, ihn zu schmücken und gerade so zu tun, als hieße man Krösus. Es geht um Familienrituale und ihre Pflege, es geht um Zusammensein, solche Dinge. Um Lebensgenuss auch, um Geselligkeit und Gemeinschaft.

    Mit diesen, zugegeben etwas schrägkrausen und weihnachtsambivalenten (wieder mal zu vielen) Worten,
    wünsche ich Dir gute Zeit,

    Liebe Grüße,

    Amélie

  2. Ich sehe das ähnlich, anders und genau wie du. Mit der symbolischen Bedeutung von Weihnachten, habe ich keine Probleme. Auch wenn man darin ein heuchlerisches Hoffnungssymbol, als Tatsache erkennen sollte. Jedoch finde ich, Weihnachten sollte keinen Anlass bieten anders zu sein, sondern zu hinterfragen wie man ist. Das Problem ist nicht dass wir dieses moralische Licht anlegen, sondern wie schnell wir es wieder abstreifen. Menschen brauchen eben Symbole. Aber wir behandeln sie mit sehr viel Vergessen, wenn sie uns nicht gerade gelegen kommen. Das ist natürlich bloß Wortklauberei. Unter dem Strich kann ich nur zustimmen.

    Man darf darin nur keine Problemwurzel erkennen. Würde es keine christliche Festtagsattitüde geben, würden wir eine Ersatzhandlung schaffen. Es ist nicht die Ursache sondern ein Symptom des Problems. Religion ist eine Gewandung menschlicher Verfehlung, aber nicht deren Quelle. Das ist natürlich eine Behauptung meinerseits.

  3. ich kann eigentlich nicht erkennen, dass das, was als Weihnachten zelebriert wird, irgendetwas mit “Jenseitsglauben” zu tun hat. Eher mit der jährlich wieder zelebrierten Schöne-Scheinwelt, die immerhin ihre Bedeutung hat, als sie dem Bürger das Maß seiner Wünsche zeigt, an dem die alltägliche Wirklichkeit sich zu messen hätte. Die erlebte Diskrepanz zwischen dem “Solllte” und dem “Ist” führt dann zu vermehrten Selbstmorden und manchmal auch zu Todschlag.

  4. Ihre Gedanken und Ausführungen kann ich gut nachvollziehen. Und im Allgemeinen stimme ich Ihnen zu.
    Allein um die wichtigen Zwischentöne zu besprechen ist mir ein Gegenüber unabdingbar.

    Ich wünsche Ihnen ein erfreuliches 2020er Jahr und sende schöne Grüsse,
    Herr Ärmel

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