Dún Laoghaire – Sandycove – Ireland

1979, oder war es 1978 (oh Erinnerung, du liebliche, verwelkende Blume), betrat ich zum ersten Mal irischen Boden. Um genauer zu sein, betrat ich den Boden der Republik Irland (Eire) und nicht den von Nordirland.

Zu dieser Zeit war der Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland auf einem vorläufigen Höhepunkt angekommen. Trotz eines für die Jahre 1975 und 1976 durch Verhandlungen der Provisional IRA mit der britischen Regierung ausgerufenen Waffenstillstandes. Loyalistische Paramilitärs torpedierten diesen, da sie ihre eigenen Interessen in den Geheimverhandlungen  zwischen der IRA und der Regierung in London nicht repräsentiert bzw. verraten sahen. Politisch motivierte, durch Loyalisten begangene Morde an katholischen Zivilisten in 1975  führten zur Aufkündigung des Waffenstillstandes durch die IRA bereits im Januar 1976.
Diese damaligen Zusammenhänge waren für mich erst in späteren Jahren von größerem Interesse. Erst später rückte die Geschichte des Konflikts in meinen Fokus.

Für mich und zwei Kommilitonen aus meiner Mainzer Studienzeit sollte Dublin das erste Reiseziel in der Republik Irland sein. Zwar kann man auch in Dublin selbst anlanden, jedoch wählten wir die traditionelle Schiffspassage, die von Holyhead, Wales, kommend nach Dún Laoghaire führte, dem südlich von Dublin gelegenen Vorort. Eine Überfahrt zur Nacht durch die Irische See. Die Fähre spuckte uns am frühen Morgen am hufeisenförmigen Kai unseres Zieles wieder aus. Mit Schlafessand in den Augen und  knurrenden Mägen.
Dieser Reise mit Begleitung ist meine Überzeugung geschuldet,  dass ich mir auf zukünftigen Touren lieber selbst genügen wollte. Macht es doch dieser Umstand  lediglich notwendig, mit meinen eigenen Widersprüchen in Wunsch und Begehr klarzukommen, sich nicht kompromisieren zu müssen. Solitary Man.

Am Ende seines biografischen Romans Borstal Boy, der seine Gefangenschaft in englischen Gefängnissen zum Inhalt hat, beschreibt der irische Schriftsteller und damaliges IRA Mitglied Brendan Behan den Anblick der Landschaft um Dublin folgendermaßen:
“Am nächsten Morgen stand ich auf Deck, als das Schiff Dun Laoghaire ansteuerte, und sah, wie die Sonne sich über dem Hügel durch die Wolken kämpfte, sah die Stadt, die sich um die Bucht schmiegte.

…. Und wenn bewahrt mir bleiben Leib und Leben,
will ich mich auf die Reise froh begeben,
Zurück ins väterliche Heimatland,

Zurück an seinen hellen, herben Strand,
Um Reich und Reichtum Englands zu vertauschen
Mit Irlands Hügeln, wo die Winde rauschen.

Die folgenden Bilder stammen aus dem Jahr 2017. Und beinhalten auch solche von  Sandycove. In diesem kleinen, weiter südlich von Dun Laoghaire gelegenem Dubliner Vorortstädtchen, befindet sich das James Joyce Museum. Das kleine, sehr feine Museum befindet sich direkt neben dem Martello Tower. Dort verbrachte James Joyce einige Tage. Der Tower kam, als szenischer  Ausgangspunkt von Joyces  Jahrhundertroman Ulysses, zu einiger Berühmtheit.

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All pictures © Achim Spengler

Zum Schluss seien noch einige Zeilen aus Heinrich Bölls Irisches Tagebuch zitiert. Sie schildern seine Ankunft in Dun Laoghaire:

“Eine Tasse Tee, so bei Sonnenaufgang, wenn man fröstelnd im Westwind steht, während die Insel der Heiligen sich noch im Morgendunst vor der Sonne verbarg; auf dieser Insel also wohnt das einzige Volk Europas, das nie Eroberungszüge unternahm, wohl selbst einige Male erobert wurde, von Dänen, Normannen, Engländern – nur Priester schickte es, Mönche, Missionare, die – auf dem seltsamen Umweg über Irland – den Geist thebaischer Askese nach Europa brachten; vor mehr aus tausend Jahren lag hier, so weit außerhalb der Mitte, als ein Exzentrikum, tief in den Atlantik hineingerutscht, Europas glühendes Herz.

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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10 Comments

  1. Danke für diesen schönen Bericht, ich war etwa 84 oder 85 das erste mal in England mit einem Freund. Damals gab es immer wieder Terroralarm wegen der IRA. Ich habe aber den Eindruck, dass damals die Verhältnisse noch überschaubarer waren als heute. England war damals auch noch von einem bestimmten zauber umgeben. Der erste Tee mit Milch und eine Selbskocher Jugenherberge in Holland Park. Dann die Fahrten im Bus und Underground, die Gerüche und die Menschen, die Kleidung und auch die Sprache. Heute vermisse ich das alles ein bisschen.

    • Auch die UDA (Ulster Defense Association) war eine terroristische Vereinigung in Nordirland. Bis 1991 war sie legal. Dann wurde sie verboten. Sie wird bei der EU immer noch auf der Liste der Terrororganisationen geführt. Ich habe mich erst 2005, bei meinem zweiten Besuch in Dublin, sehr ausführlich mit dem irischen Osteraufstand gegen die Briten, dem anschließenden Bürgerkrieg und mit dem Nordirland Konflikt beschäftigt. Es ist eine Tragödie, dass es im ansonsten von Kriegen unberührten Europa, auf der Basis zweier Glaubensgemeinschaften, zu diesem Bruderkampf gekommen ist.
      Vermissen tue ich England, Irland und Schottland an jedem Tag 🙂

      Liebe Grüße

      Achim

      • Ich war früher ein großer Irland Fan und hörte die ganzen Protestsongs. Die Sands Family hat damals in Deutschland getourt und ich konnte mich sehr gut mit Tommy Sands unterhalten. Sie lebten im Grenzgebiet zur Republik. Er hat den Tod zweier enger Freunde in einem Lied besungen (Roses) Immer wenn ich das höre bekomme ich Gänsehaut. Das Drama geht ja wohl zurück auf Oliver Cromwell und auch auf die Kartoffelpest, als es Irland sehr schlecht ging. Die Troubles waren aber so wie du schreibst und ich es auch verstanden habe, zunächst hauptsächlich von den Unionists ausgegangen. Seit dem Karfreitagsabkommen ging es ja wirklich bergauf und jetzt kommt dieser Demagoge von Johnson und bringt alles wieder zum wackeln. Ich bin mit einer Engländerin verheiratet und kam deshalb häufig nach England, es ist schon was besonderes.

  2. Hallo Achim,
    was fuer ein Zufall. Im naechsten Mai wollen Mary und ich nach Irland [ihre Vorfahren muetterlicherseits stammen uebrigens von dort] und wir wollen die ersten 5 Tage doch tatsaechlich in Dún Laoghaire unterkommen, wenn moeglich im Royal Marine Hotel dort, und von da aus Dublin selber und die Umgebung anschauen. Dieses Hotel und auch andere Unterkuenfte wollen wir in den naechsten Tagen buchen. Die Fluege haben wir schon: British Airways von Austin nach Heathrow und von da nach Dublin. Wir freuen uns schon riesig drauf.
    Apropos “troubles”: das war ein staendiges Thema in meinem Englischunterricht in der Oberstufe. Zum Glueck heute ja Geschichte. Hoffen wir nur, dass dieser Konflikt nicht in Zuge des Brexit wieder aufflammt.
    Liebe Gruesse,
    Pit

    • Life is strange, isn’t it? One of my walking friends is a volunteer at this museum when she’s at home in Dublin. We were talking about it just the other day 🙂 🙂

      • Dear Jo,

        the world is tiny one:-) I heard of them volunteers. They’re doing a great job. Without them cultural offers would probably be much more expensive or would not be offered at all.
        Have a great day

        Best regards

        Achim

    • Lieber Pit,

      hui, da freue ich mich für euch. Ihr werdet sicher eine schöne Zeit in Irland haben. Wollen wir hoffen, dass euch nicht der Brexit in irgendeiner Art die Freude vedirbt. Gab es denn für euch keinen Direktflug nach Dublin? Bis Mai isses ja nicht mehr soooo lange hin 🙂

      Liebe Grüße an euch

      Achim

      • Ich hoffe mit Dir, lieber Achim, dass der Brexit keine negativen Auswirkungen haben wird.
        Einen Direktflug gibt es weder von Austin noch von San Antonio aus. Entweder waere es von hier nach New York gegangen und dann mit Aer Lingus nach Dublin, oder direkt mit BA von Austin nach Heathrow und dann von da, ebenfalls mit BA, nach Dublin. Fuer BA haben wir uns entschieden, weil da der Flug preiswerter war als mit Aer Lingus.
        Jetzt muessen wir mal bald die Hotels buchen, und dann auch einen Mietwagen. Letzteres mache ich uebrigens immer (noch) ueber den ADAC. Das ist erheblich preiswerter als direkt. Und ALLE Versicherungen sind eingeschlossen. Da habe ich im Juli in Indiana schwer Lehrgeld bezahlen muessen. Zusammen mit dem Flug hatte ich einen Leihwagen gebucht, fuer $183 fuer 4 Tage. Das war wirklich gut – so schien mir jedenfalls. Der Haken kam dann bei der Uebernahme: die Vollversicherung [Vollkasko] schlug mit zusaetzlich $400!!! zu Buche. Das hat mir aber echt die Socken ausgezogen.
        Ich wuensche Dir und den Deinen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute im Neuen Jahr,
        Pit

        • Dann hast du alles richtig gemacht, lieber Pit. Ich wünsche dir und Mary eine gesegnete Weihnacht und ein gesundes Neues Jahr.

          Liebe Grüße
          Achim

          • Danke, lieber Achim, und auch Dir und den Deinen ein froh-besinnliches Weihnachtsfest und alles Gute im Neuen Jahr,
            Pit

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