Notate 32 – Schein

Peter Handke, der Scheinriese. Je näher man seinem Schreiben kommt, desto verwunderlicher der Umstand, dass es sich schier an sein Innerstes vergeudet, dabei doch nur das schreibende Ich aus dem Blick verlierend.  Elektronenmikroskope oder Quantenmikroskope versuchen ähnliches. Auch sie scheitern an der asymptotischen Annäherung an die Dinge.

Schreiben erfolgt immer aus einer Ahnung heraus. Wissendes Schreiben kopiert nur das, worüber fast alles schon bekannt ist.

Zeuxis von Herakleia gelang es, Trauben zu malen, dass sogar Vögel nach ihnen pickten. Ganz im Sinne der mimetischen Kunsttheorie, Kunst als vollkommene Repräsentation der Dinge. Kunst vollendet das, was die Natur nicht zu Ende bringen kann.

Daraufhin stellte Parrhasius seinem Rivalen (Zeuxis) ein Gemälde vor, auf dem ein leinener Vorhang zu sehen war. Als Zeuxis ungeduldig bat, diesen doch endlich beiseite zu schieben, um das sich vermeintlich dahinter befindliche Bild zu betrachten, hatte Parrhasius den Sieg sicher, da er es geschafft hatte, Zeuxis zu täuschen. Der Vorhang war nämlich gemalt.” (nach: Plinius, Nat. Hist. XXXV, 64)
Gibt es eine realitätsgetreuere Abbildung des Schleiers, des Scheins?

 

 

 

 

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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10 Comments

  1. Lieber Achim,
    Hanne & ich unterhielten uns letzter Zeit öfter über die mimetische Kunstauffassung, die ich völlig verwerfe. Seit der Antike hat sich wie alles auch die Kunst weiterentwickelt. Die Beziehung des Kunstwerks zu seinem abgebildeten Objekt finde ich nicht wesentlich und somit auch eine realitätsgetreue Abbildung kein Gütemerkmal, eher der Ausdruck fehlender Kreativität. Ein Kunstwerk muss sich in der Welt der Kunst bewähren, wie R. Magritte so schön klar machte mit dem bekannten Bild seiner Pfeife, das er betitelte “That’s not a Pipe”. Das Bild eines Objekts ist nicht das Objekt, sondern unterliegt anderen Gesetzen.
    Peter Handke, den ich als Student in Bochum durch Peymann kennenlernte, ist kein Autor, der mich begeistern kann. Genau das, was er damals in Princeton der Gruppe 47 vorwarf, trifft auf ihn zu: Seine Werke sind läppisch. Allerdings als ich in Finnland “Publikumsbeschimpfung” Ende der 60er Jahre inszenierte, stieß das auf feindliche Ablehnung – gar nicht läppisch. Aber heute ist dieses sein frühes Werk eine nette Kuriosität. Seine letzten Werke sind mir zu schwülstig, mit Metaphern, die an eine historisch überwundene Epoche anklingen. Die Nobelpreisverleihung an ihn, finde ich eine abermalige Fehlentscheidung des Nobelpreiskomitees.
    Liebe Grüße vom heute sonnig aber kalten Meer
    Klausbernd
    und der Rest der The Fab Four of Cley
    🙂 🙂 🙂 🙂

  2. Lieber Klausbernd,

    was die aristotelische Kunstauffassung angeht, da bin ich ganz bei dir. Der Versuch Kunst und Realität deckungsgleich bringen zu wollen, ist ein Anschlag auf die Auffassungsgabe des Künstlers. Diese steht doch immer im Vordergrund, wie ich finde. Wir haben nie einen unverstellten Blick auf die Realität, wir interpretieren sie unentwegt. Ohne diesen Umstand wäre Kunst nicht möglich.

    Zu Handke habe ich einiges in Kommentaren auf anderen Blogs gesagt. Sein Blick auf den Balkankrieg ist limitiert. Er hat da eine Schere im Kopf. Seine späteren Werke sind langweilig aus Gründen der Langatmigkeit. Seine literarische Kompassnadel schlägt immer die gleiche Richtung ein: Ins Innere. Psychologen könnten daraus eine schöne Präsentation eines Narzismus extrahieren.

    Liebe Grüße hinauf an die fab fours

    Achim

  3. Ich finde das so unfassbar krass, wenn Menschen nur mit ihren Händen und etwas Handwerkszeug auf einem flachen Blatt Papier Dinge erschaffen, die fotorealistisch sind. In Fußgängerzonen hab ich sowas auch schon auf den Pflastersteinen gesehen, ist echt irre.
    Etwas mehr Begeisterung bitte!

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