Dornröschen

Sie schlendern am Terror der Bauchläden vorbei, der Kater sei Broker jetzt, gemunkelt. Vorbei an goldgesponnenen Auslagen, die stechende Spindel, der güldene Teller, der aus dem Bombenhimmel regnet.

Ein gläserner Sarg, acht Zwerge im süßen Schlaf, die Hälfte gestorben an überzuckerten Bratäpfeln, Fettschlieren, an der Königin des Schlaraffenlandes, hinter dem Berg.

Eine weiße Taube, aufgehängt am Rapunzelhaar aus Natodraht. Ein Husten, Zittern, Blut ohne Schuh. Erbrochenes, noch gärend. Ein halber Überwurf aus gewobener Ärmlichkeit. Das nackte Kleid des nackten Bischofs. Die vorletzte Habe des Hungers.

Ist die Raupe, mit dem hochgereckten Omega Rücken, die einzige aufständige Kreatur? Dazu befrage, raunt die Mär, die Herden der letzten Habe, die sechste Kolonne, das eingestimmte Vieh, den zerbrochenen Spiegel des ungeküssten Dornröschens.

(Achim Spengler, 2019)

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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4 Comments

  1. Lieber Achim,
    Dornröschen war kein Schönes Kind, darum blieb sie ungeküsst. Auch die guten Zwerge entsprechen (immer noch) so wenig dem hochglanzperforierten Wohlwillschema F mit der auf die Stirn gestanzten Erbsünde plus Bisschen Blingbling, dass Schneewittchen keine Kotzeteller mehr abwaschen mag. Würden sich Bischöfe doch bloß öfter mal trauen, ihr Gewissen zu entblößen um sich daran zu erinnern wie sie mal als Kleinkinder, Stoppelhoppser und Hosenschisserchen so waren…aber ach das ist ja wieder nur so ein frommer alberner Frauen-Wunsch einer aufmüpfigen Katholikin…die hohen Herrren fänden ihn wohl ziemlich dumm…obendrein von einer Frau. Pffffff……Frauen…macht Herr Schopenhauer und zieht den keuschen Liebestöter bis zu den Ohren hoch…
    Und ja. Alles glitzert so schön. Bombensplitter brulée…
    Die Märchen sind immer nur wahr. Nur die Welt ist verlogen…;-)
    Tolle Zeilen, Achim.
    Dank und Gruß,
    Amélie

    • Liebe Amelie,

      es ging mir um Demystifizierung von Märchen in dem Zusammenprall mit der Restrolle, die ihnen in der durchökonomisierten Welt noch zukommen. Vielleicht kann man sagen, dass die Zeiten, in denen wir leben, die neue Märchenfunktion innehaben. Der Kapitalismus erzählt uns Märchen qua Werbebotschaften jeden Tag aufs Neue. Das Glücksempfinden durch Konsum ist bereits märchendurchtränkt. Glück in der Warenwelt, der Indoktrinationen, der Entfremdungen, das alles kann ja nur unter dem Schleier eines Märchennarrativs funktionieren. In der Entschlüsselung dieser neuen Märchenwelt liegt andererseits aber auch das Potential zu einer Widerständigkeit, die die Fratze hinter dem Märchen wird aufscheinen lassen können.

      Liebe Grüße

      Achim

      • huiuiuiuiiiihh… da hat sich das dornröschen aber ganz und gar zur dornrose mit unverwüstlichen brombeerwurzeln gemausert. Welch stacheliger sarkasmus auf raupens rücken… chapeau!

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