Erinnerung und Gedächtnis

Wenn die Vergangenheit aus den Kulissen hervortritt, erst die Ungläubigkeit, dann ein Erstaunen, das sprachlos macht. Erinnerung funktioniert, wenn es dem Gedächtnis gelingt, die Abraumhalde erlebten Geschehens dem Zugriff des Vergessens zu entziehen. Wenn es den Königsweg beschreiten kann, der zum Ziel hat, dass sich auch Unbewusstes jäh turmhoch aufschichten darf und daran die Abrissbirne Zeit nicht nagen kann.

Eine Binse ist das, eindeutig, und vielleicht gehört zu meinem Mannsein dazu, das in diesem Fall meine Erinnerung beginnt mit einem Zucken des Fleisches, dem Prickeln im Unterleib, den Deklinationen körperlicher Eskapaden. Aber vielleicht sind diese immer die Vorhut männlicher Erinnerung, ihr Kondensat. Danach erst treten die bitteren Zutaten ans Licht. Die Harmonie des Beisammenseins und ihr Bruch, Rauschzustände der Ruhe und das Aufkommen der heftigsten Ruhestörung. Wenn meine Erinnerung blankzieht, bin ich bis auf die Knochen der Gebärden eines Herzausreissers entblößt.

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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4 Comments

  1. Huijuijui. Abraumhalde? Alles überflüssig? Ich würde es als ein “hinab ins Archiv der mehr oder weniger gut konservierten Erlebnisse” bezeichnen.

    • Abraumhalden sind ja nicht überflüssig. Sie werden oft rekultiviert und genutzt, ohne dass man an den Grund ihrer Entstehung erinnert wird 🙂

  2. Lieber Achim,
    Love is blindness- Cassandra Wilson, wunderbar…

    Verklärt wabern rosa Wolken um Faszinationsphasen, über hochalpinen Gefühlen. Berge, die so hoch wachsen konnten, damit sie Abgründe und Täler aufwerfen können, so tief, dass kein Stein mehr seinen Aufschlag miterleben kann. Da sind sie, die Landschaften des Herzens, so wilde Klüfte. So präzise wie der hundertmilliardendste Klon einer Wasserlilie, so klar wie Kloßbrühe.
    Der Herzausreißer ist nur Sehnsucht nach Niesodagewesenem. Sie erzeugt Illusionen eines vergangenen Glücks um ein dringendes Bedürfnis anzumelden und sie ist trickreich. Das Leben ist eine desinteressierte Katze. Die kleine Maus leidet unter ihrem Schmerz und will eigentlich sterben. Darum bittet sie die desinteressierte Katze darum, ihren Kopf in ihr Maul legen zu dürfen. Ein Reflex soll dafür sorgen, dass die Katze zubeißt. Doch dann sieht die Maus diese hübschen blinden Schulmädchen. Und überlegt es sich lieber anders.
    Spontan kommentierte Sonnengrüße aus Nordwest,
    Amélie

  3. Liebe Amelie,
    von Cassandra wusste ich bisher nichts. Ich mag ihre Stimme, sie hat ein schönes Timbre und ist sehr kraftvoll. Jazz-Lieder sind immer unter meinem Radar durch, mal schauen, ob sich das für mich ändern lässt.

    Das Bild des Herzausreißers sollte das Scheitern, das Mißlungene in den Beziehungen der Geschlechter ausdrücken. Ich denke, dass es auch immer zum gegenseitigen Herzausreißen kommt, vor allem am Anfang einer Liebe. Wenn man es wieder zurückfordern kann und die Liebe trotzdem weiter Bestand hat, dann wäre das eine sehr glückliche Fügung. Das Herz auf den Lippen tragen, sein Herz ausschütten, sein Herz zu Füßen legen.

    Das Bild von der Maus und dem Leben als desinteressierte Katze, die blinden Schulmädchen, aus welchem Fundus hast du denn dieses Bild her? Sehr gelungen als Parabel des Lebens.

    Liebe Grüße hinauf zum Teuto

    Achim

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