Cotswolds Skizzen(1) – The ballad of a thin man

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Ich verrichte das Geschäft des Kaffeetrinkens mit der höflichen Unbarmherzigkeit von Mafia Schergen in den italienischen Vierteln New Yorks. Das ist die Taktung meiner Tage, unter wolkenverhangenem Himmel, in den sich blaue Zipfelmützchen schleichen wie Kirchenmäuse ins Chorgestühl von Kathedralen.

Auf der Straßenseite gegenüber meiner Kaffee-Marina das Black Horse mit dem doppelten Willkommenschild. Lindgrün der Schriftzug, lindgrün die Abbildung eines Pferdekopfs.  Vom schwarzen Rappen, man sehe mir den Pleonasmus  nach, keine Spur. Hat sich verspätet wie King Harold Godwinson bei der Schlacht von  Hastings, wie das sommerliche Wetter in der Schlacht von Cirencester.

Ich sollte Postkarten schreiben, meine Hände sind klamm, tauglich nur für die Krakelei dieses Textes, nachlässig befeuert von der milchkaffee-induzierten inneren Wärme.

Mein Notizbüchlein quillt über mit halbgarer Poesie. Meine modeste Kreativität, wenigstens sie,  kommt langsam ins Stottern. Erinnert mich an Fehlzündungen bei  Oldtimern. Sei es drum. Du kannst nicht dienen zweier Herren, nicht teilen die Herzen von dreien. Leben ist immer kürzer als die Ansprüche an es.

Der alte, hagere Mann, dünnhäutig wie Papier, dem es zum Pergament nicht gereicht, kehrt den Bürgersteig mit huschenden Bewegungen, ein fegendes Vögelchen.  Ein Freimaurer in der geheimen Kunst der Reinlichkeit. Danach spült er mit Seifenlauge nach. The Ballad of a Thin Man. Als hätte der nächtliche Regen seine sakrotane Schuldigkeit nicht bereits getan.

Drei Mädchen, Wildfänge noch, in Shorts. Was in Anbetracht der unterkühlten Temperaturen ein weiterer Hinweis auf die allgemeine Widerstandsfähigkeit der Angelsachsen ist. Shorts kombiniert mit Gummistiefeln, mit Flip-Flops. Männer in Shorts, über muskulösen Waden, unter feisten Bäuchen, oben rum die Kurzform von Trenchcoats. Wie es ingesamt so ausschaut, als wären die Jungs in früheren Leben Rugbyspieler gewesen, eine Menge Bankdrücker sind auch darunter, beim Rugby,  versteht sich.

Eine Lady mit Lockenwicklern stopft etwas, was aussieht wie eine Friseurhaube, schnaubend in den Schlitz der roten Letterbox, next collection Saturday. Will hoffen, dass bis dorthin der Inhalt des ominösen Sendguts nicht verrottet.

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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10 Comments

  1. Schade, denn die Krakelei bleibt meiner Phantasie vorbehalten. Ich schrieb grad einen Satz auf bei tauklammen 13 Grad Plus und gemäßigtem Fisselregen. Dazu trinke ich knülleheißen Kaffee. Nix blaue Zipfelmützchen in dunklen Dumpfgebilden am Himmel. Nicht mal eine faszinierende Lockenwicklerfrau oder eine unverdrossen fegende Dünnhaut vom Stamm der Insulaner. Ein grünes Pferd ist besser als eine lila Kuh, oder? Muss es denn immer ein Rappe sein? Egal, Hauptsache Pferd, oder?
    Habe ich etwas vergessen? Ist eine sonnige Sonne wohl ein Pleorgasmus?
    Huch🙊☺️
    Ich glaube, ich brauche Urlaub.
    Grad brechen die Dumpfgebilde auf und Clara funzelt einen Strahl herfür. Ah, August, denke ich und genieße einen Schluck Zeit in meinem Kaffee. Sie schmeckt lauwarm, das ist Luxussahne: das Getränk durfte largonisch erkalten und nach oben dabei schauen. Echte Wildfänge sind übrigens undummistierzierbar und altersungebunden. 😉
    Ich wünsche Dir noch eine schöne Zeit vor Ort und sag dank für die in den vergangenen Tagen in Deinem blog wahrlich reiche Textbeute.
    Liebe Grüße ✨

    • Holla, 13 Grad, ein Tag zum Strümpfe stricken. Hier fieselt es, geschlossene Wolkendecke, Temperatur gefühlt Kälte Dusche. Die letzten zwei Tage immerhin richtig sommerlich. Ich war auf Wanderschaft und habe die Landschaft liebkost. Zu einem Pleoorgasmus hat es dann doch nicht gereicht ☺ Schön, dass du der Sonne einen Namen gibst. Da sie mir in den letzten Jahren zu oft zu heiß brennt, habe ich sie zu einem namenlosen Schicksal verdammt. Wobei sie durch ihr Licht wenigstens kontrastreiche und farbengesättigte Fotos ermöglicht. So hat jede Schattenseite ihr helles Pendant.
      Am heutigen Sonntag lasse ich mich treiben, die Wetterlage gibt nicht viel her und manchmal sind die spontan unternommenen Beschäftigungen diejenigen, an die man sich sehr gerne erinnert. Wait and see ist das Motto.

      Liebe Grüße aus Cirencester

      Achim

      • Dann bist Du aber immerhin noch artiger als ich, denn ich werde gleich hier auf meinem Balkon zu wullacken und zu räumen beginnen – ab morgen wird das Haus zur Baustelle für ein ganzes Jahr. Ja, dieses landschaftliche Augenschmausen mag ich auch sehr. Jeder Monat im Jahr hat seine besonderen Licht-Stimmungen, welche ihn auch prägen. Der August bringt die ersten tiefen Farben, doch das lila Mauve über die Wiesengründe fällt erst im Septemberspätnachmittagslicht. Jetzt ist die Zeit der Herbstzeitlosen, ein letzter Frühlingskrokusgruß. Hast Du schon welche entdecken können? Der Sonne verpasse ich dauernd neue Namen. Aber dem Mond auch. Gestern Nacht saß ich in strahlend kaltweißem Licht. Macht Du jetzt etwa auf auf diese augenschädlichen weißkalten LED’s? fragte ich. Dafür leuchtet Mars noch wie eine Hagebutte, wenn er am Westhimmel aufgeht. Spontanität ist ein Lebenselixier mit Verjüngungseffekt. Viel Vergnügen und einen schönen Sonntag!

  2. Lieber Achim,
    “Leben ist immer kürzer als die Ansprüche an es.” – deswegen wollte ich einst 130 Jahre alt werden, aber ich habe es mir doch anders überlegt 😉
    Danke für deine so eigene Poesie der letzten Tage, die ich in der Regel mehrmals lesen muss und lese, nur einmal erscheint mir “verschwendet”.
    Herzliche Grüße von Regenland zu Regenland,
    Ulli

    • Liebe Ulli,

      Ich bin jetzt fürbass erstaunt. Im Südbadischen hat es geregnet? Ich fasse es nicht. Hätte ich auch zuhause bleiben können☺ Wenn ich bedenke wie es jetzt schon in den Gelenken zwackt und in den Knochen schmerzt, halte ich es wenig erstrebenswert methusalemeisches Älter zu erreichen. Körperliche Bewegung bringt meinen Geist ins Schwingen, lege ich mich hin oder sitze über Gebühr friert er ein. Da reduziere ich gerne meine Ansprüche.

      Liebe Grüße hinauf zum zweiten Berg aus den Cotswolds

      Achim

      • Lieber Achim, ja, endlich hat es ausgiebigst geregnet und auch abgekühlt, heute scheint die Sonne von einem rein gewaschenem Himmel, das richtige Wetter für einen Gang. Aber gut, dass du gefahren bist, diese Inspirationen hättest du daheim wohl nicht gefunden!
        herzliche Grüße nach Cotswolds, Ulli

          • Heute bin ich wieder im Garten gewesen und ich staune was dieser Regen vollbracht hat, ich sehe keine Traurigkeit mehr in ihm und dachte wieder einmal über diese unglaubliche Überlebenskraft der Vegetation nach …
            Dir noch viel Freude in deinem Lieblingsland 🙂

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