Notate 5 – Muhammad Ali

Die größte Zuneigung beginnt, wenn den raffinierten Erscheinungen der Abneigung ein läuternder Zugang zum Sitz der Sympathie und der Empathie geöffnet wird, ein Byepass zum Herz. Ich habe ihn erst viele Jahre später schätzen und lieben gelernt. Da war seine Karriere lange vorüber und die sinnliche Athletik seines Körper an die Krankheit verloren, seine Geschichte in Vergessenheit geraten.  Als Muhammad Ali 1996 in Atlanta das Podium betrat, um das olympische Feuer zu entzünden, durchfuhr es mich heiß und die Gewissheit stieg in mir auf, dass ich in diesem Augenblick würde teilhaben dürfen an der Auferstehung des größten, phoenixgleichen Idols der Boxgeschichte aus der Asche der Vergessenheit. Brausender Jubel. Kollektive Ergriffenheit. Gesichter mit Tränen in den Augen, überall.
Lange davor schon hatte  ich ihm seine Großmäuligkeit verziehen, seine Arroganz, seine Herablassung den Boxkontrahenten gegenüber. Die schwarzen unter ihnen nannte er Nigger, weil sie ihm zu unterwürfig waren in der rassistisch durchseuchten Gesellschaft in der Hochzeit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.
Mein Vater und meine beiden Onkel, sogar meine Mutter schauten sich seine Boxkämpfe an und opferten dafür die Nächte. Meine Mutter in eine muffige Decke eingeschlagen, die Tasse Kaffee auf dem kleinen Beistelltisch, brühwarm. Sie lehrte mich die Boxbegeisterung und ich war zwölf, als ich Ali zum ersten Mal in der Flimmerkiste sah.  Damals wollte ich ihn verlieren sehen. Was er nie tat. Damals war ich immer auf der Seite der Malocher und der Underdogs und der hoffnungslos Unterlegenen. Ali boxte Poker und am Ende hatte er den Straight Flush, fast immer. Der schwarze Beau Brummel des Boxens. Der Magier des fintierenden Floretts. Der schwarze d’Artagnan. Die stechende Biene.

 

 

 

 

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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6 Comments

  1. Meine Großmutter liebte Boxkämpfe und schaute sich jeden an. Doch Muhammad Ali war ihr schwarzer Gott. Wenn er boxte, erkannte ich sie kaum wieder: ihre Augen glühten, sie hing wie eine gespannte Feder im du kelroten Plüschsamtsessel mit den Troddeln. Ihre Fäuste waren geballt und ihre ganze altersgerechte Sittsamkeit war wie weggeblasen, wenn Muhammad boxte. Im Krieg hat sie Schlimmes erlebt. Ich weiß es zwar nicht genau, doch oft, wenn ich sie dabei beobachtete …wie sie beim Boxen Muhammad Ali anfeuerte und sie diese Verwandlung von einer Großmutter hin zu einer entfesselten Wilden vollzog, , fragte ich mich, welchen Dämon er gerade für sie besiegte.
    Liebe Grüße,
    Stefanie

    • Mütter und Großmütter, prägend irgendwie, nicht? 🙂 Und doch scheint mir, auch wenn ich deinen Kommentar lese, wie wenig ich doch von ihnen weiß. Wie wenig sie mir zeigten, oder wie wenig ich selbst von ihnen wissen wollte. War die Verbindung über den Sport ein Band? Ich weiß es nicht. Das hinterlässt eine Leerstelle, die ich mit Trauer füllen muss.

      Liebe Grüße an dich

      Achim

      • Lieber Achim,
        ich weiß welches Glück ich mit meinen Großeltern hatte.
        Es waren intensive gemeinsame Momente und Jahrzehnte…Deine Trauer über eine Leere,
        die gern eine volle gewesen Fülle wäre, vermögen sie leider nicht zu lindern. Das Band, das zwischen meiner box- und fussballbegeisterten Schneiderinnengroßmutter und mir bestand war eines, das bis zu ihrem Tod im hohen Alter von 96 Jahren bestand.
        Liebe Sonntagsgrüße von Stefanie

        • Ich hatte leider ein eher zwiespältiges Verhältnis zu mener Großmutter mütterlicherseits. Die Erinnerungen an meinen Großvater sind schöner.

          Einen schönen Abend wünsche ich dir

          Achim

  2. Ali war gewiss prägend!
    Er war ein ungemeiner Könner. Ein Tänzer eigentlich.
    Arrogant. Wie die allermeisten.
    Von sich eingenommen – wie die allermeisten.

    George Foreman machte es letztlich richtig. Er verlor gegen Ali, obwohl er physisch stärker war,und zog später deutlich Kapital aus seiner Niederlage.
    Ali hatte alle Anzeichen zur Hand, aufzuhören. Nein, er boxte noch ZEHN Jahre weiter.
    Den Preis dafür bezahlte er.

  3. Obwohl es ja nicht sicher ist, ob sein Parkinson auf das Boxen zurückzuführen war. Was mich sehr berührt hat, dass seine erbittersten Widersacher im Ring, Joe Frazier und George Foreman ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu ihm aufbauen konnten, als alle Karrieren vorüber waren. Ich danke dir für diesen Kommentar.

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