Aufgeschobener Abschied

Grantchester Meadows
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Aufgeschobener Abschied

Die Nester in den Baumkronen droben, sie schweigen und dörren aus. Das Gewässer gleitet wie Atemhauch. Mein Himmel ist ein turmhoher Schrei. Das ist schön und berührt mich. Das ist der Abschied und berührt mich noch mehr. Da ist kein Vordringen der Dinge, über die Ufer hinweg sollten sie mir alles sagen, auch Nichts, da alles getrennt ist voneinander. Eine Schwebe. Spinngewebe im Tau. Ein Nachgeschmack von Kaffee. Der vermessene Rasen mit dem kleinen Vorsprung hin zum Kieselsteinweg, zum Ried.  Es ziehen die Jahre vorbei, staksend und im Blitzlicht aller  Jahreszeiten. Und das Murmeln kommt auf, Wasser auf  Wasser und immer mehr davon. Dem Jungen neben mir ist es peinlich, ein Foto für die Familiengeschichte zu schießen. Er altert und trägt ein britisch beflaggtes T-Shirt und ist der Fremde im liberalen Land.


 

The nests in the tree tops are silent and dry out. The water glides like a breath. My sky is a towering cry. That is nice and touches me. This is a farewell and touches me even more. There is no advance of things, they should tell me everything beyond the river bank, as well as nothing, because everything is separate from each other. A limbo. Cobweb in the rope. The aftertaste of coffee. The measured lawn with the small lead to the pebble path, to the reed. The years are passing, piling, in the flashes of all seasons. And the murmur comes up, water on water and more and more of it. The boy next to me is embarrassed to take a family history photo. He ages and wears a British-flagged T-shirt and is a stranger in the liberal country.

(© Achim Spengler)

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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6 Comments

  1. “Im liberalen Land zu sein und wenn auch Fremder und wenn auch für immer der Junge am Uferrand, der im Flusstreiben erkennt, dass sein verschwommenes Spiegelbild im Wasser altert.
    Dass Jahre mitunter Treibgut auf den Wellen sind. Die Strömung mutet wie Abschied an, sie fließt ewig hin zum Meer. Zwischendurch das Ufergrün, das viele Grün im Ried der Träume, auch den englisch beflaggten. Das Herz mit der geliebten Mentalität tätowieren und es Heimat sein lassen in der liberalen Fremden.

    Lieber Achim, diesen Text musste ich einige Male lesen und wirken lassen.
    Ich habe meinen Gedanken freien (lyrischen) Lauf gelassen.

    Ein Text mit einem schönen tiefen Klang. Flusstexte mag ich.

    Einen lieben Gruß,
    -Stefanie

      • …und…?
        Wo landeten die Überlegungen?
        Ich suche und finde mich in den Elementen…
        Erdtexte wurzeln mich bis ich mich erde, feurige Texte befeuern mich bis ich brenne, Lufttexte beflügeln mich bis ich leicht bin , Wassertexte fließen mich bis ich weit bin.
        Doch ich brauche das alles in mir.

        • Es ist ja immer das lyrische Du, in vielfältigen Verkleidungen. Erde, Luft und Feuer eher weniger. Zu ihnen habe ich kein wirklich emotionales Verhältnis. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, ziehen es meine Texte oft wie von Magneten gezogen in die Nähe zum Wasser.

          • Wassertexte schreibe ich, wenn mich etwas blockiert. Wenn ich klar oder weit werden will, suche ich immer das Fließen, das Wasser. Ähnlich verhält es sich mit Texten. Auch mich zieht es magnetisch an das Wasser. Um zu innerer Ausgeglichenheit oder Ruhe zu finden, suche ich es in Texten wie im Leben.
            Mein lyrisches Elementarwesen-Ich hat sich gerade an einem Landtext versucht, um die Mentalität, die ich damit verbinde, herauszuarbeiten. Ich werde auch einen Feuer- und einen Lufttext schreiben.
            Mal sehen. Ich bin gespannt.
            Emotional sowieso.

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