Bruce Springsteen und die Larmoyanz

Dieser Beitrag ist Asallime geschuldet, die auf ihrem beeindruckenden Blog auffordert, drei bis vier Lieder mit ihr zu hören. Schaut selbst und beteiligt euch daran. Hier geht es zu ihrem Blog. Dies ist der zweite Song,  den  ich zu Asallimes Aktion beitragen möchte. Der erste ist Bob Dylans “Wedding Song”, zwei Beiträge zuvor auf diesem Blog.

Ich bin mit der Larmoyanz verheiratet. Wir führen eine vorbildliche und einträchtige Ehe. Sie steht mir tatkräftig zur Seite in Zeiten, wenn meine Blicke sich nach innen richten. Innen ist nicht viel Platz. Aber  ich habe mich eingerichtet. Ich bin der Innenarchitekt der Bitterkeit, ein Gefäß schalgewordener Hoffnungen. Die Welt dort draußen ist ein Abenteuerspielplatz und über Abenteuer bin ich weit hinaus. Es wird jetzt wohl klar, was die Larmoyanz in diesen Phasen der Mutlosigkeit mit mir tut. Sie gibt mir den Zuckerkuss und verdient sich ihre dreißig Silberlinge. Sie macht mein Leben klebrig süß und eben: weinerlich. Wir führen eine mehr als nur platonische Ehe.
Und dann kam Bruce Springsteen. Der Boss spielt drei Stunden ohne Pause. Ein schweißgetränkter Stahlkocher, die Hemdsärmel bis über den Kopf hochgekrempelt. Rock wie eine stampfende Büffelherde. Der Ariadne Faden aus der Depression. Stagediver und Prinz der Albernheiten. Charme und Charisma, die eine herbe amour fou ausleben. Die einzige Kultfigur in der Geschichte des Rock, die nicht selbstzufrieden im Mausoleum ihres Ruhmes sitzt und am Schal ihrer eigenen Legende strickt.
Jede seiner Bühnen, jeder seiner Auftritte sind  kleine stories of revelation. Sie sind Pilgerreisen nach Damaskus, auf denen sich der larmoyante Saulus in mir zu einem energiegeladenen Paulus wendet. “Glory Days” and “Youngstown” sind die Hymnen meines Ehebruchs. Sie ergießen sich wie geschmolzenes Erz über Gevatterin Larmoyanz und alle Bitterkeiten lösen sich in einem Lachen auf, wie Nebelschwaden in der frühen Sonne. Der Pessimismus ist meine philosophische Grundhaltung. Dagegen steht Springsteen’s “The Rising” wie ein Doppelturm der Hoffnung und der Zuversicht.
” When I die I don’t want no part of heaven
I would not do heaven’s work well
I pray the devil comes and takes me
To stand in the fiery furnaces of hell.”

(aus: Bruce Springsteen’s “Youngstown”)

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

Articles: 604

6 Comments

  1. Lieber Achim, mein Internet ist leider kaputt, oder zumindest stöhnt und ächzt es ganz gewaltig, das alte larmoyante Ding! Darum sehe ich das hier erst jetzt. Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich freue, nicht nur über die wohlwollenden Worte. Ich verehre Bruce Springsteen, der in meinem Leben eine ähnliche Rolle übernimmt. Er hat so eine positive Kraft und seine Texte sind für mich, die ja immer vor allem auf Texte hört, immer wieder eine Inspiration. Wie schön, dass du den Faden aufgenommen hast und dich auch auf eine musikalische Reise begibst! Ich bin gespannt, was noch kommt. Herzliche Grüße!

  2. (Übrigens finde ich deine Beschreibung von Springsteen einfach hervorragend! Ich war auf drei seiner Konzerte und ich wünschte, ich hätte das Gefühl, das ich jedes Mal danach hatte, konservieren und für die Zeiten, in denen die Innenansicht zu schwer wiegt, bewahren können. Den Bob-Dylan-Post kann ich gerade nicht abrufen, wie gesagt, mein Internet.)

  3. genial! das hätte von mir stammen können (der pessimist in mir sagt: „nie könntest du so schreiben“, der optimist lächelt dazu: „nanadubistnurmomentanblockiert“). zwar bin ich hauptberuflich eine optimistin, die finnische – hehe – melancholie schwingt natürlich mit. vielleicht deshalb hat dein text gepasst wie die faust ins auge. aber es bedarf keiner weiteren erwähnung, dass ich diese sonnendurchfluteten sätze sofort in mein gedächtnis übernehme.
    p.s. ich versuche es besser weiterhin mit dem malen 😉

Hinterlasse mir gerne einen Kommentar

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

Translate »

Discover more from A Readmill of my mind

Subscribe now to keep reading and get access to the full archive.

Continue reading