“It’s not where you take things from”

Lovis Corinth - Tojanisches Pferd
Lovis Corinth – Tojanisches Pferd

Im Englischen heißt Geschenk “gift”. Jedem bleibt überlassen, ob er diesem translatorischen Wink auf das Doppelbödige des Schenkens mehr als nur zufällige Bedeutung beimessen möchte. Für mich steht fest, dass dem weihnachtlichen Ritual des Schenkens das Lockluder des materiellen Wettbewerbs latent beigemischt ist. Die Stiftung von Aufmerksamkeit und Zuneigung ist das Eine, wenn aber beide erschlagen unter einem Berg heuchlerischer Investitionen daniederliegen, wird die Essenz der Nächstenliebe ausgetrickst und korrumpiert.

Im Englischen heißt Geschenk auch “pressie”. Und pressieren tut es tatsächlich. Man muss sich nur die Girlanden blauer Flecke vorstellen, die sich mit der Hatz und Gier schenkenwollender Kreuzzüge einstellen. Der Konsum betet seine Rosenkränze. Nehmen wir nur die Raserei des Zupackens in den Auslagen, denn  zu spät darf niemand sein. Das Projekt des Schenkens manifestiert sich als eine Variable der Zeit, die sich zu Weihnachtszeiten verdickt und einen regen Ablasshandel mit den unterjährig verpassten Chancen immaterieller Wertschätzungen wie Lob, Anerkennung und Respekt betreibt.

Das Gift entfaltet sich auch dort, wo sich die Absicht des Gebenden aus der Perspektive des Beschenkten nicht im monetären Wert des Geschenks widerspiegelt. Ich wette darauf, dass  jeder unter uns weitere Wirkungen dieses Giftes aus eigenen Erinnerungskisten hervorzukramen vermag.
Im Englischen heißt Geschenk auch “bounty”. Bounty wiederum lässt sich ins Deutsche unter anderem mit Handgeld oder Prämie übersetzen. In ökonomischen Bezügen dieser Semantik können wir darunter Formen erpresserischer Akte konstatieren. Ich beschenke dich aus Gründen der selbstverständlichen Erwiderung dieses Geschenks. So ich dir, so du mir.

Das Geschenk ist insofern mindestens zweierlei. Es ist verpflichtender Aufruf  zu seiner Entgegnung durch ein Gegengeschenk. Andererseits heißt es im Englischen “beware of Greeks bearing gifts”. Gemeint ist damit das Trojanische Pferd, als das “Geschenk” der Danaer an die Trojaner in der griechischen Mythologie. Das Ende dieser Geschichte ist bekannt. Wir können also voraussetzen, dass ein Geschenk nicht immer in guter, reiner Absicht daherkommt.
Und darin liegt zugleich auch seine Aporie. Also der Tatbestand der Unmöglichkeit, im Geschenk seinen wahren Sinn, seine wahre Bedeutung oder wahre Absicht zu erkennen. Aporetisch ist das Geschenk auch, weil es bisweilen schier unmöglich ist, die richtige Auswahl zu treffen, besonders dann, wenn man der Mühe abhold geht, sich in die Erwartungswelt des Beschenkten hinein zu spüren.

Worte schenken. Wir sollten Worte schenken. Aber wer wäre überzeugt davon und nähme es hin, dass diese in der Nähe des Herzens hausen könnten? Oder gar, dass sie  Vertrauen verdienten im Hinblick auf ein Gesagtes, welches auch das Gemeinte ist? Machen wir uns wenigstens ein Geschenk der Trauer über das verlorene Gewicht des Gesagten, ein Geschenk, das wirklich in der Behausung des  Herzens wohnt. Schenken wir uns ein Krippenspiel aller Versäumnisse. Als Mahnung unserer Verantwortung, der Empathie das Unterpfand des aufrichtig Gefühlten beizufügen. Schenken wir uns sättigende Wortbrotkrumen und die Melancholie der Hingabe und den Reichtum der Aufrichtigkeit.

Ich wünsche meinen Lesern ein schönes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr.

Achim

PS: Der Beitragstitel ist ein Zitat von Jean Luc Godard, wiedergegeben von Jim Jarmusch, in einem Interiew

https://achim-spengler.com/2014/02/17/juxtaposition/
Achim Spengler
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Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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23 Comments

  1. Du hast recht, Achim, die Erwartungshaltung des Beschenkten ist das größte Problem beim Schenken.
    Mir gefällt auch der Vergleich mit dem Ablasshandel!
    Frohe Weihnachten wünscht dir Susanne

    • Liebe Susanne,

      Das Schenken ist nicht immer ein Geschenk. Manchmal Mühsal, manchmal einhergehend mit kleinen familiären Dramen. Manchmal frage ich mich, warum ich mir das noch antue. Als Religionskritiker tue ich mich schwer mit Weihnachten und der ganzen Tradition des Schenkens. Noch gelingt mir da kein akzeptabler Kompromiss. Weihnachten jedoch ist immer noch das Fest, dass mir die Illusion der Familienzusammenführung ins Gemüt brennt. Ich kann davon nicht lassen.

      Auch dir ein schönes Fest und ein gesundes, befriedigendes neues Jahr.

      Achim

      • Lieber Achim.
        Ja, es ist eine Illusion, die in vielen Familien aufrecht gehalten wird.
        Ich mag eigentlich Weihnachten mit dem schenken, singen, beisammensitzen und den Lichtern.
        Leider läuft es nicht immer so, wie ich es mir erträume.
        Aber das ist Leben.
        Liebe Grüße und besinnliche Tage von Susanne

  2. Lieber Achim,
    danke für die besinnlich-kritischen Gedanken zu den Festtagen.
    Auch Dir ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das kommende Jahr,
    Pit

    • Lieber Pit,

      schöne Weihnachtsgrüße über den großen Teich an dich und Mary. An die neue Garage, das neue Auto, das neue Domizil 🙂
      Bleibt gesund.

      Achim

  3. Geschenke zum Auspacken bekommen bei uns eigentlich nur noch die Enkelkinder. Sie sind noch klein und die strahlenden Kinderaugen sind das Geschenk für mich. Wir Erwachsenen schenken uns Zeit, Zeit um miteinander etwas schönes zu erleben – zum Beispiel es ein schöner Winterspaziergang, eine Fahrt mit der Dampflok o. a.

    Wünsche dir frohe und stressfreie Feiertage und für das Neue Jahr alles Gute, vor allem aber Gesundheit !
    Karin

    • Einen WInterspaziergang würde ich liebend gerne machen wollen. Sofern der Winter noch Einzug hält in diesem Jahr, was ich allerdings bezweifele.
      Ich wünsche dir stressfreie Schenkensmomente, ein schönes Weihnachtsfest insgesamt und ein gesundes neues Jahr.

      Grüße

      Achim

      • Herzlichen Dank für deine guten Wünsche !
        Hier unten ist es zwar kälter geworden, aber Schnee ist wohl in weiter Ferne. Da müsste man schon in die Berge fahren.
        Liebe Grüsse
        Karin

  4. Deine kritische Betrachtung gefällt mir. Schade, dass es oft nur so ein Kaufrausch mit anschließendem lieblosen Hinklatschen, ein Schenken aus Kalkulation, eine mit bestimmten Erwartungen verbundene Handlung ist, eine, deren Nichterfüllung vorprammiert und deren entsprechende Enttäuschung so sicher wie das Amen in der Kirche ist.
    Daher finde ich den Gedanken faszinierend, Worte zu verschenken. Nicht irgendwelche. Die echten, aufrichtigen, die, die in Herznähe hausen und so gemeint sind, wie sie gesagt werden. Persönlich. wertvoll, unbezahlbar …

    Ich wünsche eine schöne Weihnachtszeit, Achim, ein frohes Fest und für das Neue Jahr alles erdenklich Gute!

    LG Michèle

    • Auch dir eine schöne Weihnachstzeit, ohne überbordende Schenkenslast, Ruhe und Zufriedenheit und vor allem ein gesundes, neues Jahr.

      Liebe Grüße

      Achim

  5. Es lohnt sich jederzeit, das Herz in Worten zu wiegen und dies jemandem zu schenken.
    Dies auch zu können, wenn die Worte unverstanden bleiben sollten.
    Wir sind nur begrenzt lange hier, haben oft viel zu wenig Zeit für unsere Lieben.
    Weihnachten ruft dazu auf, sich Gedanken zu machen, sich seine Zuneigung zu zeigen und gemeinsame Zeit zu verbringen.
    So verstehe ich für mich den tieferen Sinn dieses Festes.

    Der Konsumterror ist in der Tat ein Ablasshandel. Einer, der mit armen Seelen schachert und mit dem Erfolgsdruck des Idylls.
    Ich liebe die Hoppenstedts von Loriot.

    So schließe ich:
    Früher war mehr Lametta…

    Dein Text ist wie knusprige Weihnachtsgans, mit Rotkohl und Klößen und richtig viel Soße. Und Vorsuppe und Dessert. Und noch Brot zwischen den einzelnen Gängen…

    Liebe Grüße
    von der Karfunkelfee✨

    P.S. Ich summe Night on Earth dazu…😎

    • Oh ja, früher war mehr Lametta. Mein Vater und ich waren abkommandiert zum Schmücken des Christbaums. Wir haben die Freiheit genutzt, die in der Kunst des Schmückens lag, und haben den Baum mit Lametta “beworfen”, es so hängen lassen wie es auf den Baum auftraf.
      Dir ebenfalls ein besinnliches, in ehrliche Worte getunktes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr.

      Liebe Grüße

      Achim

    • Liebe Karfunkelfee, ich habe jetzt in Erfahrung gebracht, dass Jim Jarmusch in einem Interview obiges Zitat selbst zitiert hat, und zwar nach Jean Luc Godard. Der Titel des Beitrages ist also ein Zitat von Godard. Meine Entschuldigung hierfür, auch für die anderen Leser. Immer dreimal hinschauen und recherchieren … *seufz

      • Aber bitte…öhm…sowas…könnte mir allerdings auch passieren und letztendlich ist es ein tolles Zitat, das ich noch nicht kannte. Mal ein Dankeschön fürs Nachseh’n…😊

  6. Lieber Achim,
    aus Cley next the sea wünschen wir Dir und Deine Dir ein fröhliches Weihnachtsfest und alles Gute für das kommende Jahr,
    komm gut rein und bald wieder nach Norfolk!
    Liebe Grüße senden dir
    Dina, Klausbernd und ganz feenleicht, Siri und Selma xo

    • Jingle Bells and Rock’n Roll euch zu diesem Fest. Selma und Siri flugflatterig alle Christbäume von Cley (sofern dort überhaupt welche stehen) umkreisend, dieser Anblick wäre mir jetzt große Lust 🙂

      Liebe Grüße aus Freiburg

      Achim

  7. P.S.
    Einen sondergruß von Selma, ganz flatterig happy über deinen Kommentar zu ihrer Feenweisheit! 🙂
    Big hug und viel Feenhauch!

  8. Lieber Achim,
    Wow 👍 diese 📮 Post finde ich ‘total toll’ 😀
    Und ich liebe doch deinen dufte alliterationsverliebten Ausdruck – allemal 😉
    Und bei dem ❤️lieben Selmalein 👸 hast du nun einen Stein im Brett. Sie bedankt sich feenanmutigst 💐
    Wir hängen ab nach Christmas 🎄 Shoping 🎁 vorm Kamin ♨️♨️.
    Mach dir’s gemütlich 🍷 und dass du willkommen bist, schrieb schon die ❤️💃 Dina
    Ganz liebe 💞 Grüße vom ☁️ stürmischen Meer 🌊🌊🌊🌊🌊 🇬🇧
    Von uns 💃👭🚶

    🎅🎄🎁🎉🎆🎇

    • Dein Text könnte allemal für einen veritablen Christbaumschmuck durchgehen, lieber Klausbernd 🙂 Ich höre ihn schon prasseln, euren Kamin und stelle mir vor, wir lägen allesamt zu seinen Füßen, das zuende gehende Bloggerjahr besprechend und Bilanz ziehend. Irgendwann werde ich wieder in Cley aufschlagen, mit mehr Zeit und und und ….

      Liebe Grüße aus Freiburg

      Euer Achim

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