Solitary Man

Es ist tröstlich, in unserer Zeit zu leben. Denn Gott scheint uns weniger zu lieben als zum Beispiel den Käfer, von dem er immerhin ca. 350000 Arten geschaffen hat. Da kommt schon der Verdacht auf, dass er, um einer möglichen Einsamkeit zu entgehen,  vorsorglich Spezies in die Welt gesetzt hat, die eine Erde noch bevölkern, wenn es unsere nicht mehr geben wird. Er uns also nicht vermissen muß.
Mir kann das egal sein. Ich glaube nicht an Gott und an sein hausgemachtes Problem der Einsamkeit. Weder glaube ich an einen persönlichen Gott, den man sich fein zurechtbackt und als Nippeszierde in den leerstehenden Wohnungen der Seele unterstellt, damit man wenigstens Gesellschaft hat. Noch an den Kreationisten und Beweger, der chipsmampfend an den Schaltstellen seiner Machtzentrale sitzt und uns in die Fallen des Schicksals lockt.  Wenn es den letzteren Gott denn geben sollte, dann, oh Menscheit, gib fein Acht. Dann steht zu befürchten, dass er in seiner weisen Voraussicht Käfer und anderes niedere Getier mit allen Kniffen des Überlebens ausgestattet hat, um uns kaltblütig verabschieden zu können. Wie erwähnt, dieser Gott ist nicht gern allein. Und unserer Art fehlt es an der notwendigen Vielfalt jener Ausprägungen, die das Überleben sichern könnten. Den Bauplan des Menschen hätte Gott gewiss ganz anders blaupausen müssen. Soviel zur Mär, dass Gott alle Kreaturen gleich geschaffen hat und sie mit gleicher Liebe beschenkt.
Gegen die Darwin`schen Evolutionsgesetze  ist jedoch kein Kraut gewachsen und es ist zu vermuten, dass der personale Gott höchstselbst dem Selektions- und Anpassungsdruck der Natur  zum Opfer fallen wird. Und das aus Gründen, die wir als Gläubige zu verantworten haben. Weil wir ihn mit menschlichen Zügen ausstaffierten und ihn im Zuge kirchlicher Märchenerzählerei zum Prototypen des wahren Menschseins stilisierten. Den Schuh unserer miesen Blaupause Gottes müssen wir uns im Gegenzug gleichfalls anziehen. Wenn es uns in Millionen- oder Milliarden Jahren an den Kragen geht, löst sich auch das Bild dieses Gottes einfach in Wohlgefallen auf. Er lebt und fällt mit uns.
Die Käfer, Amöben, Bakterien und alle anderen Arten von Geschöpfen, von deren Existenz wir heute noch nichts wissen und die uns im natürlichen Anpassungsprozeß überlegen sind, all diese werden sich gefälligst um einen neuen Gott zu kümmern haben. Ob sie diesen, sozusagen als Emanation ihres irgendgearteten Geistes notwendig haben werden, sei dahingestellt. Andererseits und  vorausgesetzt, es existiert die Entität Gott als Wesensmerkmal unseres Universums, dann sind es vielleicht sie, die ihn erkennen, bevor die Erde in der Glut unserer Sonne verdampft. Diese Option gestehe ich ihnen neidlos zu. Oder aber sie erkennen die Gesetze der Evolution und hätten somit gleichwenig Anlaß, einen Gott, welcher Couleur auch immer, zu vermissen.
Vielleicht lege ich mir ein Schrebergärtchen zu, um die Evolution bei ihrem Wirken zu belauschen. Es ist schön, in meiner Zeit zu leben. Schön, in meiner Endlichkeit und ihrer Dauer zu leben. Diese Endlichkeit möchte ich produktiver nutzen, als mich in den Aporien des  Nachdenkens über Gott und die Welt heillos zu verstricken.
Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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16 Comments

  1. Wenn es Gott geben sollte, liebt er alle Wesen gleich.
    Wenn er so etwas wie Liebe überhaupt kennt, denn Liebe ist menschlich, nicht göttlich.
    Käfer sind sehr liebenswert, Menschen leider immer weniger, vielleicht weil sie sich für so wertvoll halten, das allein der Gedanke ein Schöpfer, also ein höheres Wesen als er selbst, könnte die Frechheit besitzen zu existieren.
    Mit freundlichen Grüße zum Freitag:-)

    • Meine verspätete Replik auf deinen Kommentar, für den ich mich bedanke. Wir sind Sternenstaub, und in meinen Augen ist es müßig herausfinden zu wollen, warum und aus welchem metaphysischem Grund wir auf dieser Erde wandeln. Wir sollten es zufrieden sein zu existieren, denn im Vergleich zur Nichtexistenz besitzen wir das gegenteilige Privileg. Auch das Privileg, nicht auf unbedingte Art und Weise herausfinden zu wollen, was oder wer uns erschaffen hat.

      Achim

    • Wie komme ich nur auf die Idee zu glauben, dass heillose verstrickung etwas ist, was zu dir past? Es mus wohl an deinen texten liegen, die keine Scheu haben, Hintergründiges hinter den Fassaden unseres Menschseins zu benennen.

      Liebe Grüße

      Achim

      • Nur immer wieder der Versuch, der Normalität zu entkommen 🙂 In dem Knäuel vielleicht neue Muster entdecken. Mein Leben ist sonst zu ordentlich. LG, Peggi

  2. Lieber Achim, gerade beschäftige ich mich auch mit Darwin (dazu demnächst mehr auf meinem Blog). Wenn das keine göttliche Eingebung war 😉 Lieben Gruß aus dem finsterkalten Greenwich, Peggy

  3. Nein, lieber Achim. Vergieß den Schrebergarten. Schmeiß hin und werde Schriftsteller. Gute Gedanken kommen beim gehen. Besuch uns bitte in Norfolk, dann gehen wir zu Blakeney Point und klären alles.

    • Der Besuch in Norfolk bei euch ist sozusagen zementiert. Gute und aussichtsreiche Gelegenheiten will ich in unserem Alter nicht einfach vergehen lassen. Dank an dich für die Einladung und Blakeney Point erscheint mir als schöner Ort, um Klarheit in das dunkle und raunende Schicksal unseres Daseins zu bringen.

      Liebe Grüße

      Achim

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