Atheismus – Gretchenfrage

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Vor einiger Zeit habe ich auf einen Fragekatalog zum Thema “Atheismus” geantwortet: Erstellt wurde er von Antje Schrupp auf ihrem lesenswerten und empfehlenswerten Blog “Aus Liebe zur Freiheit. Notizen zur Arbeit der sexuellen Differenz”.

Meine Antworten hierzu möchte ich euch nicht vorenthalten.

Hier die Fragen und meine Antworten jeweils darunter:

1.Bezeichnet ihr euch aktiv als “Atheist_in”? Bei welchen Gelegenheiten?

Ich mag keine Zuschreibungen, gleich welcher Art. Und keine Gelegenheit würde mich dazu bringen, diese an mir selbst vorzunehmen.

2. Wie seid ihr zum Atheismus gekommen? Habt Ihr euch aus eigener Initiative dazu entschieden oder haben euch andere dazu angeregt? Wer? War es eine bewusste Entscheidung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder eher ein schleichender Prozess?

“Zum Atheismus zu kommen” unterstellt, dass ich irgendwann einmal “Theist” gewesen sei. Das war nie der Fall. Ich hatte insofern keine Wahl, auch keine schleichende, zu treffen. Vielleicht kann man diesen Umstand als Initiative der “Unterlassung” bezeichnen. Die religiösen Märchen haben mich angeregt, sie als Literatur zu begreifen, als Fiktionen. Wenn diese Betrachtungsweise als Atheismus qualifizierbar scheint, so ändert das nichts an meiner Liebe zur Literatur.

3. Sind die Leute in eurem Bekannten-/Freund_innenkreis auch überwiegend atheistisch? Ist das ein Thema im privaten Kontakt?

Zur ersten Halbfrage: Kann ich nicht beurteilen, dazu fehlen mir schlicht Fakten. Damit ist die zweite Halbfrage ebenfalls mit nein zu beantworten.

4. Welche Rolle spielt bei eurem “Bekenntnis” zum Atheismus die Ablehnung bzw. die Kritik an den “real existierenden” Religionen?

Ich interpretiere Literatur, auch unter rezeptionsästhetischen Perspektiven. Das ist aber auch schon das einzige Bekenntnis, welches ich hierbei ablegen kann. Bei jeder Form von Literatur gibt es fanatische Anhänger, die daraus ihre literarischen Kulte schaffen. Ich bin kein Anhänger der wortwörtlichen Auslegung religiöser Narrative, erst recht nicht, wenn sie als Legitimierung faktischer Mord- und Totschlagszenarien herhalten müssen.

5. “Würdet Ihr sagen, dass Ihr anstelle von “Gott” an etwas anderes “glaubt”? Woran? – Oder haltet Ihr das Konzept des “Glaubens” für prinzipiell problematisch? Warum?”

Ich glaube daran, dass Literatur, in der auschließlich das Fiktivum “Gott” als Ziel von Glaubensanstrengungen dargeboten wird, als dauerhaft fade gelten wird. In literarischen Konzepten sollte sich der Glaube auch an andere Fiktiven orientieren. Mir fallen da zum Beispiel Liebe, Vertrauen und Treue ein. Menschengegeben und auch in realen Bezügen existent.

6. “Spielt das atheistisch-Sein in eurem Alltag eine Rolle? Beeinflusst das euer Handeln? Wann/wo zum Beispiel?”

Diese Frage ist natürlich sinnfrei, aber sie konnte nicht wissen, wie ich auf ihre vorhergehenden Schwestern antwortete.

 

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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12 Comments

  1. Mein lieber Herr Spengler, für den Satz ” “Zum Atheismus zu kommen” unterstellt, dass ich irgendwann einmal “Theist” gewesen sei.”, müßte ich glatt meine Abneigung gegen die Besternerey über den Blogbord werfen. Großartig. Wie auch der Rest Ihrer famosen Antworten, in denen ich Knoblochsprenkel wiederfinde. Danke.

    • Vielen lieben Dank, Verehrteste. Die Umklammerung des Lebens durch das Jenseits und die Sterbensangst, dagegen habe ich immer die Bastion einer endlichen Freiheit setzen wollen.

      • Die Bastion der endlichen Freiheit. Großartig. Lieber eine endliche Freiheit, als unendliche Pein und unerträgliche Angst davor. Danke für das Richtigewortefinden. Schönstwoche wünschend, Ihre Frau Knobloch.

  2. Ich weiß nicht, ob ich dem, den ich als Gott bezeichnen würde, schon jemals begegnet bin, aber ich will eine gewisse Sehnsucht nicht verleugnen. Vielleicht ist alles auch ganz anders, und ich verleugne diese Begegnung nur ganz konsequent. Jedenfalls steht die Hintertür sperrangelweit offen. Irre ich mich, oder lässt sich eine solche Hintertür auch aus Deinen Antworten erahnen?

  3. In der Antwort, dass um Atheist zu sein, einer erst einmal Theist gewesen sein müsste, liegt der Kern des Ganzen; es gibt nicht diese radikale Trennung, es gibt nur verschiedene Perspektiven und unterschiedliche Begriffe, für etwas, was wir alle brauchen; Verbindung, Liebe, Verständnis würde ich es nennen, andere sagen dazu Glauben und Gott.

    • Genaus so empfinde ich auch. Die profanen Dinge, ohne göttlichen Urgrund und ohne göttliche Abkunft, in ihnen liegt “menschenwürdige” Herausforderung. Eine Selbstverständlichkeit, die keines Glaubenscodexes bedarf.

  4. Kluge Antworten hast du parat, lieber Achim, die mir sehr gefallen, am meisten behagt mir, dass es die Schubladen sind, die dir zu eng sind und vielen anderen, eben auch mir. Je länger ich über die einen und anderen Fragen (nicht nur diesen) nachdenke, umso mehr komme ich nicht zu eindeutigen Schlussfolgerungen: Schon oft habe ich gedacht, dass es wohl mehr um ethische Werte, denn um Religiösität geht, die Religion hat sie nur eben vermittelt, und doch ausgedient. Spiritualität ist lebendig, Religion lässt sie verknöchern, wenigstens empfinde ich es so …

    herzliche Grüsse Ulli

    • Liebe Ulli,

      so empfinde ich auch. Ich habe dem ganzen Mummenschanz der dörflichen Kirche, ihren Repräsentanten, den weltabgewandten Predigten und den ins Korsett stopfenden leblosen Ritualen schon als Kind und Jugendlicher die Literatur entgegen gesetzt .

      Liebe Grüße aus Freiburg

      Achim

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