Hab dich nicht so

Ich habe es nicht so mit der Weihnacht. Hab dich nicht so, sagt diese zu mir. Ein armer Tropf ist der, der sich nicht lauthals freuen mag beim Flanieren durch die Zuckerbäckerweiten des Konsumterrors.  Ein Schleifchen hier, ein Gebinde dort, drüben der scharlachrote Glühwein und die vom Bodensatz der Weihnachtsmärchereien durchtränkte Gefühlsduseligkeit. Ohne dieses jährende Fest gewinnt der Mensch seine Mitte nicht mehr zurück, so spekuliert man. Es ist dahingestellt, ob damit die Leibesfülle in der Leibesmitte, der feste Stand der Sehnsüchte oder gar die hüftenschwingende erotische Unwucht gemeint sind. Das alles könnte man lapidar als eine kapitalistisch generierte Wollust abtun. Wenn es so einfach wäre. Jedoch scheint es nicht zu genügen, dass die Natur schön ist, ohne das man noch glauben müsste, dass Feen darin wohnen. Als wäre der notorische Überbau der Übersinnlichkeit die einzige Gewähr für sinnlichen Genuß. Als wäre nur die Gewissheit auf Wiederauferstehung die angstlösende Waffe gegen das Sterben. Es geht also um mehr, wenn man sich die folgenden Sätze vor Augen führt. Sätze, die den schutzwürdigen Raum der Fiktion schon längst verlassen haben und eingetreten sind in den Wirklichkeitsraum derer, die diese Sätze wörtlich nehmen.

“Ich bin gekommen, um den Sohn mit dem seinem Vater zu entzweien, und die Tochter mit ihrer Mutter.”
“Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.”
“Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen, sondern das Schwert.”
“Und fürchtet das Feuer, das für die Ungläubigen vorbereitet ist.”

Beim Wort genommen, weil diese Sätze zum Wort genommen werden wollen. Die Dramaturgie, die sie eröffnen, entfaltet sich auf der Bühne der Wirklichkeit als blanke, blutige Lust nach individueller Verschmelzung mit den Göttern. Die eschatologische Lehre von den letzten Dingen ist krank vor Ungeduld in der Erwartung dieser letzten Dinge. Die Endschicksale des einzelnen Menschen und der Welt, beide wären sie lapidar erklärbar als biologische und entropische Gesetzlichkeiten. Warum diese Tatbestände als finale, alles erklärende Fanale nicht ausreichen, diese Frage richtet sich ausschließlich an diejenigen, die süchtig sind nach Erlösung oder den Huris des Islam.
Gott ist keine Erklärung. Er ist das Missing Link, die Brücke, die den Sprung in den Abgrund, vollführt von der existentiellen Verzweiflung, zu einem Kierkegaard’schen Sprung des Glaubens macht.
Dieser Umstand könnte mir egal sein, wenn sich nicht das Barbarische in Glaubenssätzen in jedweder religiöser Nomenklatur als real existierende Barbarei entpuppen würde. Wer auf den Zug der Tagesaktualitäten springt, der muss mit aller hermeneutischer Gewissheit kenntlich machen, dass die Schleier des Entsetzens in Bibel, Koran und Talmud immer schon gehoben sind. Dort, wo der Schmerz aufschreit, ist stets der Hinweis auf seine schriftlich festgehaltene, angebliche  Notwendigkeit zur Hand. Wären “Religionen lediglich Schuldgefühle mit unterschiedlichen Feiertagen” (Cathy Ladman), dann wäre es ein Leichtes, sie von ihren Hirngespinsten psychopädagogisch zu befreien. Jedem Verbrechen seine zweite, sozialverträgliche Chance.

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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4 Comments

  1. Religionen als Schuldgefühle mit unterschiedlichen Feiertagen, nicht schlecht. Unterscheidet sie zwischen Religion und Kirche als Institution? Von Schuldgefühlen, die einem die Kirche aufoktoyiert, kann man sich zum Glück freimachen. An religiösen Gefühlen mag ich keine Kritik üben. Die sind so vielfältig wie es Menschen gibt auf dieser Welt, und ich will ihnen auch ihre jeweilige Berechtigung nicht absprechen. Wie immer Du die Feiertage verbringst und erlebst, mögen Sie für Dich angenehm sein und froh, ja, warum nicht auch froh! Ich hab’s auch nicht so mit der Heiligen Nacht, dennoch versuche ich gerade, ein bisschen Weihnachtsglanz in die Hütte zu bringen. Meine Kinder werden es zu schätzen wissen, wo sie doch heimkommen zu Weihnachten. Und das wiederum macht mich froh..:-)

    • Da unterscheidet sie eher nicht. Mir ging es nicht darum, religiöse Gefühle zu verletzen (obwohl ich für diesen Blogbeitrag einige “Prügel” einstecken musste). Mir ging es nur um die stupende Selbstverständlichkeit, mit der sich aktuell Religionen, egal ob diese institutionalisiert auftreten oder nicht, in Hass – und Gewaltorgien ergehen. Und ich meine damit gleichermaßen den islamischen Fundamentalismus wie die glaubensideologischen Sauereien, die sich die US-Amerikaner immer noch in Guantanamo leisten. Ich bin dann doch eher der Anhänger einer individuelll ausgerichteten Spiritualität oder Mystik. Solange sie nicht ausgrenzend, abwertend, oder aus Gründen überlegener Moral bevormundend auftritt. Auch wenn ich den Namen “Weihnachten” weglasse, so empfinde ich trotzallem eine friedliche Besinnlichkeit, die ich an diesem Tag im Kreise meiner Lieben zu feiern gedenke. Fernab der Rituale und und Ränke, die sich um dieses westlich tradierte “Fest” der Liebe winden.

      Auch dir eine besinnliche Zeit und ein gesundes neues Jahr.

      Achim

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