Ich  fürchte, dass die Zicklein ohne Raffinesse bleiben
und dass das Pathos ein Lied vom guten Ausgang singt.
Mich fürchtet, dass die Erotiker in Unlust baden,
und Hass das Heim des Heimchen übernimmt.
Ich fürchte, dass die Lyrik auf dem Rost der Lyra deklamiert
und Neid die Zeit in feisten Armen der Genügsamkeit verbringt,
ich fürchte weiße Fahnen des Geschlechterkampfes
und dass der brustbewehrte Amazonenpfeil verfehlt.

Auf der Bühne der Heiterkeit geht die Melancholie in Asche und Sack.

Ich fürchte, dass Alles schon verschwunden ist, bevor ich es vergesse,
dass man den Herbstwind grausam nennt, weil er die Blätter fällt,
ich fürchte Jubiläen des Lamento und
den Besprung der Einsamkeit in bocksgehörntem Kleid.
Mich fürchtet, dass Achill die Wunde in Drachenblut ertränkt
und die Begierde rauschgeplagt ertrinkt.
Ich fürchte das Frohlocken schönster Zierde
auf dem Laufsteg, exkulpiert.
Doch ich fürchte, dass die Furcht
nur dem Ende applaudiert und keinen Anfang kennt.

(© Achim Spengler)

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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9 Comments

  1. Wow, da hat es mir doch glatt die Sprache verschlagen – umgangssprachlich würde man es wohl “heavy” nennen. Interessant wie auch rätselhaft finde ich diesen Stilebenenmix von “Zikke” bis “exkulpiert” …
    Schönen Sonntag noch
    Klausbernd 🙂

    • Dieses DIng (Gedicht) hat inzwischen eine kleine Metamorphose hinter sich. Aus Zicken wurden Zicklein und auch ansonsten gabs einige Veränderungen 🙂 Ich habe mit diesem Beispiel gelernt, erst nach reiflicher Überlegung ein Gedicht hier einzustellen, nachdem der Prozeß des Formulierens ganz abgeschlossen ist. Ich habe immer noch eine Scheu, eigene Lyrik hier zu präsentieren. Andererseits möchte ich ja mutig sein und dazu gehört, sich dem Urteil der Leser zu stellen. Als leidenschaftlicher Leser von Lyrik bin ich oft genug selbst verzweifelt an der Rätselhaftigkeit, den Chiffren von Lyrik. Über von mir sehr geliebte Lyrik las ich in früheren Zeit gerne Interpretationen darüber. Oft genug schlug ich mir sprichwörtlich gegen den Kopf, wenn es andere schafften, mir eine nachvollziehbare innere Logik dieser Gedichte zu liefern, die ich selbst nie nachvollziehen konnte. Heute belasse ich Gedichte in ihrer “Strangeness”. Mut zum Geheimnis, und ich stellte fest, dass der Genuss beim Lesen nie zur Strecke gebracht wurde, nur weil ich etwas nicht verstand.

      Liebe Grüße nach Cley

      Achim

      • Lieber Achim,
        das liest sich überzeugend. Ich wünsche dir weiterhin frohes Dichten, wie strange es auch immer werden mag 😉
        Ganz liebe Grüße vom Meer nach Freiburg
        Klausbernd

  2. Lieber Achim,

    am besten gefällt mir
    … Ich fürchte, dass Alles schon verschwunden ist, bevor ich es vergesse …

    “Timeo” habe ich heute zufällig auf Paperblog gesehen. Wie funktioniert das?

    Schönen Sonntag wünscht dir aus dem grauen Bonn

    Hanne

    • Liebe Hanne,

      danke dafür. Dieser Satz war der erste, um den sich alles gruppierte. Auf PAperblog habe ich meinen Blog vor fast zwei Jahren eingestellt. Paperblog ist eine Art Metablog, auf dem sich alle Interessierte präsentieren können. Wenn ich hier in WordPress einen Beitrag poste wird er sofort in Paperblog veröffentlicht. Ich finde diese Idee ganz nett und ich muss sagen, dass ich dort im Durchschnitt die gleiche Anzahl von Lesern habe wie hier.

      Liebe Grüße nach Bonn

      Achim

      • Vielen Dank für die Aufklärung, Achim! Die Plattform werde ich mich näher anschauen.
        Liebe Grüße
        Hanne

  3. Lieber Achim,
    die größte Angst habe ich vor dem Schluß:

    “Doch ich fürchte, dass die Befürchtung
    nur dem Ende applaudiert und keinen Anfang kennt.”

    Sich fürchten als Selbstzweck, das ist so ein Sport dem viele frönen. Da ist man fix und es ist dann nur unter großen Anstregungen zu relativieren.

    Einen guten Start in die neue Woche wünsche ich Dir, mick.

    • Hallo lieber Mick,

      du sprichst mir da aus der Seele. Aber gegen die Furcht vor den Dingen in meinem Gedicht kann ich ja etwas tun. Man kann sie überwinden.
      Der Wochenanfang ist mir gelungen, ich hoffe doch dir auch.

      Liebe Grüße aus Freiburg

      Achim

  4. Lieber Achim,

    man kann den Start in diese Woche durchaus als rasant bezeichnen. Vielen Dank der Nachfrage. Mal sehen, was draus wird.
    Was Du bezüglich Lyrik an Klausbernd hast kann ich nur bestätigen. Darum hat mir Dein Kommentar zu den Blogs auch sofort eingeleuchtet.

    Liebe Grüße, mick.

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