Actio und Communicatio – Maud Gonne – William Butler Yeats

William Butler Yeats
William Butler Yeats

“Wir suchten verschiedene Dinge: Sie irgendeine denkwürdige Tat als abschließende Weihe für ihre Jugend und ich eigentlich nichts anderes als einen Seinszustand zu entdecken und ihn anderen mitzuteilen.”
(William Butler Yeats über Maud Gonne)

So muss sie wohl enden, diese unmögliche Liebe, wenn der Eine metaphysische Trauben zu ernten trachtet, um sie mit den Jüngern zu teilen. Die Andere dagegen aus dem Hochheitsgebiet ihrer Privilegien tritt und in den Feldküchen die irische Armut füttert, um sie zum Freiheitskampf gegen das britische Imperium zu rüsten. In der weisen Liebe soll jeder das geheimnisvolle Selbst des Anderen erraten können. Und in der Weigerung, nur an das alltägliche Selbst zu glauben, soll sich jeder einen Spiegel schaffen, worin der Liebende oder der Geliebte ein Bild sieht, das er für das alltägliche Leben nachahmen kann.  Die Liebe schaffe auch die Maske. Hier stimmt nur Yeats Satz von der Maske. Seine Liebesspiegel sind stumpf und vom getrübten Blick auf die Wesenszüge seiner imaginierten Geliebten überlagert. Und er handelt lebenslang gegen das James Joyce’sche Diktum von der Kunst, die keine Flucht aus dem Leben sein darf. Sie müsse das genaue Gegenteil sein. Kunst sei der zentrale Ausdruck des Lebens. Der Künstler habe gefälligst das Leben aus der Fülle seines Schaffens zu affimieren.
Das Leben, wie es Yeats sich wünschte, war eines an der Seite von Maud Gonne. Dadurch, dass dieses Leben nur ein vorgestelltes blieb, gewinnt wiederum sein Leben als Lyriker. Und wir stehen vor dem Dilemma, selbst entscheiden zu müssen, ob das Leben die Kunst befruchtet, oder die Kunst das Leben.
Ich beneide alle Kunst, die dem Leben als melancholischer Reflex abgerungen wird. Sie hat mehr Tiefe, da sie leidet. Sie bringt uns selbst nahe, nach Maßgabe der Entfernung, die sie zwischen sich und dem Leben zurücklegt. Auch nach Maßgabe der Entfernung, die die Geliebte gewillt ist zwischen mir und ihr zurückzulegen. Die Kunst ist kein Phantomschmerz des Bedauerns. Sie gibt dem Bedauern Adelung. Die Kunst ist auch keine Ballustrade der Besänftigung und sie plärrt nicht nach Erbarmen. Ich lehne es ab, daran zu glauben, dass in den Offenbarungen des Selbsts an seine Mitwelt der Schlüssel zur Heilung des Gemütes liegen soll. Ein Umstand, den auch Yeats erfahren sollte, als er vergeblich Iseult Gonne zu freien suchte, die Tochter Mauds.

Maud Gonne
Maud Gonne

Had I the heavens’ embroideres cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half-light,
I would spread the clothsunder your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.

Hätt’ ich des Himmels bestickte Kleider,
Durchwirkt mit goldnem und silbernem Licht,
Die blauen, matten und dunklen Kleider,
Der Nacht, des Tags und des halben Lichts,
Ich legte sie zu deinen Füßen aus:
Doch ich bin arm, hab nur meine Träume,
Die legte ich zu deinen Füßen aus,
Tritt sanft, du trittst ja auf meine Träume.

(William Butler Yeats: He wishes for the Cloth of Heaven)

Iseult Gonne
Iseult Gonne
Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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14 Comments

  1. “Die Liebe schaffe auch die Maske” – das ist ein Satz, über den sich lange nachdenken lässt. Und wie wahr die Zeile “Tread softly because you tread on my dreams.” Etwas, woran die Liebe oft zerbricht: wenn die Träume des anderen mit Füßen getreten werden.
    Sehr schöner Artikel über zwei schöne Menschen..:-)

    • Der Fehlerteufel schlich sich ein: Die schöne Tochter von Maud Gonne, Iseult, titulierte ich irrtümlich als ihre Mutter. Mit der Bitte um Nachsicht und mit dem Hinweis, dass ich es inzwischen im Beitrag korrigierte. Ich bin auch der Meinung, dass der Teppichboden der Träume, zu Ehren der geliebten Person bereitet, ein kostbares Gut ist. Zu kostbar und fragil, um ihn für alle unsensiblen Schritte herzuschenken.

      • Die Mutter steht der Tochter in nichts nach. So soll es sein. Die Zeichen der Zeit gehen nicht zwangsläufig mit der Einbuße von Schönheit einher. In diesem Gesicht erkenne ich dann auch etwas von der Eigenwilligkeit, die es braucht, um sich so in den Dienst einer Sache zu stellen.

        • Für das Alter braucht es endlich einen ganz anderen Begriff von Schönheit. Da stimme ich dir zu. Aber ich glaube nicht, dass wir diesen in unserer westlichen Zivilisation noch erleben werden.

  2. “Ich beneide alle Kunst, die dem Leben als melancholischer Reflex abgerungen wird. Sie hat mehr Tiefe, da sie leidet.”

    Achim, ich weiss nicht, ob es stimmt, dass Kunst mehr Tiefe hat, wenn sie leidet und wenn sie der Melancholie abgerungen wird.
    Aber vielleicht ist es so, dass melancholische Menschen einen viel größeren Bezug zur melancholischen Kunst haben
    In der Mediathek von 3Sat ist ein 45 Minuten Video online: Markt.Macht.Kunst. Sehr interessant. Ein Sammler sagt, er sammelt, was er nicht versteht, woran er sich reiben kann. Das finde ich auch einen gute Daseinsberechtigung für Kunst. Wenn Kunst nur schön ist, hat sie vielleicht auch eine Daseinsberechtigung. Der Künstler muss dann nur aufpassen, dass sie sich nicht “wegschaut” oder “wegliest”.

  3. Ich habe es eher in diesem Sinne gemeint: Die Kunst, da sie am Leben leidet, hat mehr Tiefe als das Leben selbst. Eine andere Frage wäre: Ist “leidende Kunst” tiefer als “bejahende” oder “feiernde” oder “euphorische” Kunst etc. Das ist wohl das, was du meinst.

    Liebe Grüße
    Achim

  4. Bei den ganzen Rundgängen in Dublin ist mir nicht so nahe gegangen wie die diese Liebesgeschichte. Danke für die Erinnerungen!
    Herzliche Grüße
    Dina

  5. Lieber Achim, Du hast einen sehr schoenen und fast schon philosophischen Artikel geschrieben. Die Kunst hat mehr Tiefe, weil sie leidet. Das wuerde ich zwar nicht bei jedem Thema unterschreiben, aber wenn es um Liebe und Poesie geht, stimme ich Dir zu. Das “they lived happily ever after” ist einfach zu uninteressant. Wir brauchen Erfahrungen, auch negative, um uns lebendig zu fuehlen. Wenn wir keine Herausforderungen und Sehnsuechte mehr haben, sind wir nicht mehr am Leben. Und Kunst muss leben, um uns anzusprechen. Liebe Gruesse, Peggy

  6. Liebe Peggy,

    vielen Dank für deinen Kommentar. Ich muss gestehen, dass ich gerade in jüngeren Jahren das Leiden an einer unglücklichen Liebe immer als Amalgam für die Fabrikation juveniler schriftlicher Ergüsse empfunden habe. In einer Art, die die Liebe bald hat vergessen lassen. Diese Schriftstücke jedoch besitze ich heute noch 🙂

    Liebe Grüße

    Achim

  7. Poesie hat schon manch unglueckliche Liebe ueberdauert, und das ist gut so. Schliesslich geht das Leben weiter (und die Poesie bleibt). Mir gefaellt uebrigens Dein neues Layout. Ganz liebe Gruesse, Peggy

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