Etwas, was es nicht gab

Wales 2010 EinsImmer im Gegenlauf zum Strom seiner Prinzipien. Ein fragiles Gewebe sinnlichen Freiheitsstrebens in ihm. Psychische und physische Determinationen nannte er das. Eine Schwarz-Weiß-Sicht, eine Bi-Polarität der Sinne, die in Sucht oder suchtfreie Phasen ausmündeten. Zwischentöne einer Mäßigung gab es nicht. Geraucht, getrunken, gepeinigt. Ein Hamsterrad des Lustempfindens.
Sandklaffmuscheln, die Dinge getan, die der Sehnsucht nach dem plätschernden Leben entgegenwirkten. Am Strand, bei leichter Brise und mäßigem Sonnenlicht und dem Zucken der Brandung, ausgesetzt, und hier war das Leben. Aus dem Picknickkorb herausgelebt. Leben auf dem festen Untersitz, die Rauchwaren und die Bücher, die Schuhe zum Wechseln, Sandhaut auf den Häuten. Unwirklich licht und die klargeborenen Gedanken etwa. Ein Unterpfand des Glücks und der Langeweile des Vergnügens nie entrückt, von der Baudelaire einmal geschrieben hatte.
Er wirft glatte, sandstrahlgeriffelte Kiesel in die nahe Brandung und denkt an den See seiner Kindheit, in dem das Baden ein Geheimnis gewesen war, da sich das Wasser pechschwarz unter dem blauen Himmel duckte. Etwas, was nicht angehen kann, dachte er. Heimkehr. Etwas, was es nicht gab.
(© Achim Spengler)

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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10 Comments

  1. Lieber Achim,

    dieser Text ist von dir, das sehe ich doch richtig. Ich weiß nicht, was ich über ihn sagen soll – das finde ich ungewöhnlich. Ich habe das Gefühl, dein Text sperrt sich etwas gegen den Leser, und das will er auch. Der Leser hat sich gefälligst einzulassen! Und dann die unmögliche Heimkehr, da würden dir Wordsworth, Coleridge und auch de Quincey sicher recht geben. Die Heimat, eben das Paradies, ist verloren, was schon Milton feststellte.

    Eine schöne Woche wünsche ich dir
    Liebe Grüße in die Stadt der Bächle
    Klausbernd

    • Lieber Klausbernd,

      beim nochmaligen Lesen meiner ersten Antwort auf deinen Kommentar, für den ich mich wenigstens jetzt einmal bedanken möchte, fällt mir auf, wie brüsk diese daherkommt. Sie ist aber nicht brüsk gemeint. Eigentlich will sie ebendies ausdrücken, was du in deiner Replik schon beschreibst: Man muss sich auf den Text einlassen, als Leser, wie auch als Schreibender. Der Text hat sich mir abgerungen, schlug seine Volten, teilweise in einer Art “ecriture automatique”. Dann stand ich am Ende vor dem Ergebnis und habe es so stehen lassen.

      Liebe Grüße aus Freiburg, auch an die Buchfeen

      Achim

      • Lieber Achim,
        mit deinem Text ging es mir wie mit Lawrence Durrells “Alexandia Quartet”, das ich gerade las: Der Autor verlangt totales Einlassen auf den Text. Und da dieser so authentisch ist, heißt das auch, seine eigenen Erwartungen aufzugeben. Solche Texte wie deiner lohnen sich zu lesen, da sie sich von den stromlininienförmigen aussageschwachen Texten der meisten Blogs absetzen – kein mainstream, sondern genuin Achim-stream 😉
        Also sieh meinen Kommentar als Kompliment.
        Liebe Grüße nach Freiburg
        Klausbernd

  2. Lieber Klausbernd,

    Diesem Text ist es freigestellt, ob er sich verständlich macht oder nicht. Das Sperrige an ihm ist dann genau das, was er sein will: sperrig eben.
    Dem Leser ist es freigestellt, ob er sich den Text verständlich machen will oder nicht. Das Unverständnis des Lesers trifft auf das Unverständliche des Textes. Ob die beiden jemals zusammenkommen werden, steht in den Sternen (den Sternen einer wiederholten Lektüre z.B.). Ich mache es mir jetzt ganz einfach und behaupte: der Text hat sich fast von selbst geschrieben. Und am Ende steht der Autor (Ich), der ja auch ein Leser ist, mit mindestens der Hälfte des Unverständnisses des reinen Lesers vor dem eigenen Text.

    Liebe Grüße aus Freiburg

    Achim

  3. Ein sehr beeindruckender Text. Eben nicht gemacht für die Langeweile des Vergnügens, sondern für die Mühe des Nachdenkens und Wiederlesens. Und ein sehr schönes Bild dazu!

    • Lieben Dank für deinen Kommentar, der mich sehr freut und mich dazu brachte, mir diesen Text einige Male selbst laut vorzulesen 🙂 Das Bild habe ich in Tenby, Wales, am Strand geschossen. Dämmerung.

      Liebe Grüße aus Freiburg

  4. Ich finde Deinen Text überhaupt nicht sperrig. Nach dem ersten Lesen dachte ich, voller Widersprüche. Nach mehrmaligem Lesen (ich habe einen dieser Sterne für mich beansprucht) würde ich sagen, voller Hintertüren. Damit meine ich auch hintergründig. Wir sind ja hier zum Glück nicht bei RTL..;-) – Am meisten beschäftigt mich das pechschwarze Wasser, das sich unter dem blauen Himmel wegduckt. Als ducke sich auch Dein Protagonist darunter weg. Der Himmel ist zwar blau, aber kein Lichtstrahl lotet die Tiefe des schwarzen Wassers aus. Was mich wieder auf die Hintertüren bringt. Es öffnen sich viele, aber hinter jeder wartet wieder das Hamsterrad, und etwas entzieht sich. Was es ist, bleibt ein Geheimnis, wie das Baden im See der Kindheit eines war. Wie auch der Text sein Geheimnis wahrt. Was in meinen Augen absolut für ihn spricht.

    • Liebe Pagophilia,

      danke für deinen offenen Kommentar. Hintergründigkeit passt wohl. Ich bin oft selbst überrascht, dass sich meine Texte instinktiv scheuen, irgendeiner Logik der Emotionen zu folgen. Insofern sind sie Ausdruck einer inneren Zerissenheit, etwas, was mich begleitet wie eine Jacke, die man wenden kann.

      Liebe Grüße

      Achim

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