Sylvia Plath and Ted Hughes – Lady Lazarus

Sie nahm sich am 11. Februar 1963 das Leben. Nachdem das “Schlimmste” ihr geschehen war und sich zum Schlimmeren wendete. Kein Geistlicher war anwesend in der Stunde ihres Todes. Nur der Wohnungsnachbar, der diese Stunde ignorant übersah. Der sie als Hausfrau und Mutter wahrnahm, nicht mehr als das, und der sich wunderte, warum sie kein Interesse zeigte an seinem eigenen Werk und Schaffen. Immerhin war er Professor für Kunstgeschichte.

“Bald, bald wird das Fleisch, das in die Grube fuhr zuhause sein auf mir.”
(Sylvia Plath aus: Lady Lazarus)

Ted Hughes and Sylvia Plath
Ted Hughes and Sylvia Plath

„Dann geschah das Schlimmste, dieser große, dunkle, wunderbare Kerl, der einzige, der groß genug war für mich, der sich auf die Frauen stürzte und nach dessen Namen ich mich erkundigt hatte, gleich als ich ins Zimmer trat, ohne dass mir jemand eine Antwort gegeben hätte, kam herüber und schaute mir tief in die Augen, und es war Ted Hughes. Ich fing […] an zu brüllen, etwas über seine Gedichte, und zitierte “most dear unscratchable diamond”, und er schrie zurück, gewaltig, mit einer Stimme wie ein Pole “Gefällts dir?” und dann fragte er mich, ob ich Brandy wolle, und ich schrie ja, und dann zogen wir uns ins andere Zimmer zurück […] und Boing war die Tür zu und er goß Brandy in ein Glas, und ich goß ihn dorthin, wo nach meiner letzten Erinnerung einmal mein Mund war. […] Und dann küßte er mich, Knall, Boing auf den Mund […] Und als er meinen Hals küßte, biß ich ihn heftig und lang in die Wange, und als er aus dem Zimmer ging, lief ihm Blut übers Gesicht. […] Und innerlich schrie ich und dachte: Ach, dir geb ich mich zerberstend, im Kampf.“
(Sylvia Plath, Tagebucheintrag)

Sylvia Plath - The Marylin Monroe of Poetry
Sylvia Plath – The Marylin Monroe of Poetry

Sie lebten reihenhausbürgerlich  in  jener kurzen Zeit in Cambridge, wo Sylvia  studierte (am Newnham Collge) und Ted in einer Jungenschule unterrichtete.  Das Haus und seine Fassade in 55 Eltisley Avenue  spiegelt nichts  von jenen wuchernden psychischen Tumoren wider, die beiden die Hölle bereiteten. Eine Hölle, in die das familiäre Leben und beider dichterische Karriere eingesperrt waren wie zwei sich abstoßende körperfremde Organe. Der aufkeimende Feminismus der 60er Jahre machte sie zur Märtyrerin der weiblichen Opferrolle, gefangen zwischen ehelichen und häuslichen Pflichten und dem Furor ihrer dichterischen Ambitionen.  Ihn machte er zum Monster des männlich Übergriffigen, zu einem Freibeuter sexueller Begierden, einem Womanizer, einem Blaubart, der all das auf dem Altar  dessen opferte, was sie besaßen und noch hätten besitzen können: Sich selbst,  die Familie, zwei Kinder und große Werke in Schubladen, später Ruhm und Sylvias Durchbruch, emanzipiert von ihrem Diktum :  “Er ist ein Genie. Ich bin seine Frau.”

Cambridge- Newnham College - Library Cambridge
Cambridge- Newnham College – Library Cambridge

Sylvia Plath hat sich in ihrem Gedicht „Lady Lazarus” als solchen stilisiert: Die lächelnde Frau, die sich der Hölle der Schmerzen aussetzte, jedoch ohne Hoffnung auf Wiedererweckung.

Sterben ist eine Kunst, wie alles.
Ich kann es besonders schön.
Ich kann es so, dass es die Hölle ist, es zu sehn.
Ich kann es so, dass man wirklich fühlt, es ist echt.”

                                                      (Sylvia Plath aus: Lady Lazarus)

Das Gedicht wirkt die Geschichte von Lazarus um in ein Mysterium, welches ihr nie gegönnt war: Kein Ausweg aus ihren Depressionen, kein ungebückter Gang unter helleren Aussichten. Die Depressionen schlugen sie schon, da hatte sie New England noch nicht verlassen, da war sie als Wunderkind der Sprache fast noch weniger als ein Kind. Mit den Depressionen handelte sie schon in ihrem Roman „Die Glasglocke“, der erst nach ihrem Tod unter ihrem eigenen Namen publiziert wurde.  Die Elektroschocks verfolgten sie und ließen sie flüchten. Und auf dieser Flucht kam sie nach Cambridge und schon schiebt sich ihr Leben vor ihr Werk. Ihre Biographie ist luzid, statuarischer als ihre Verse. Wer diese liest, hat ihren Freitod als das Menetekel von Interpretationen immer vor dem Auge. Wer diese Verse genießen will, “against interpretation”, der ist doch nur gelähmt von der Wucht und den Ausweglosigkeiten ihrer Lebenskämpfe. Und man versteht die Strophen als Beichte ihres späteren Schicksals. Küssen, Kratzen, Beißen. Was gäbe es am Anfang der Beziehung zwischen ihr und Ted Hughes mehr zu sagen, mehr zu deuten? Alles vorweggenommen, der Kampf zweier literarischer Talente, der Neid auf die Worterrungenschaften des anderen. Die Freiheit und der Kerker. Griechische Tragödie. Beginnend mit den Schmerzen der Geburt.

„Liebe zog dich auf, eine dicke goldene Uhr.
Die Hebamme schlug deine Sohlen: dein kahler Schrei
Nahm seinen Platz ein unter den Elementen.”
(Sylvia Plath aus: Morgenlied)

“And here you come,
with a cup of tea wreathed in steam.
The blood jet is poetry, there is no stopping it.
You hand me two children, two roses…[…]”

(Sylvia Plath aus: from Kindness, Ariel 1963)

 

Ted Hughes and Sylvia Plath
Ted Hughes and Sylvia Plath

Als unverbesserlicher Romantiker sehne ich mich danach, dass begnadete Menschen die Gnade ihres Zusammenseins bis zur Neige auskosten mögen. Dass der künstlerische Bogen, der sie selbst und ihre  Werke überspannt, hinreichender und notwendiger Grund sein möge für das Bewahren einer Liebe. Einer Liebe, die aus  den emotionalen Quellen beider Seelen schöpft und gleichberechtigt ist in ihren Wirkungen und mit der gleichen Achtung für den gleichen späteren Ruhm versehen. Ein steter Strom transzendenter Güsse auf das Brachland gestorbener Gefühle und deren Wiederauferstehung. Lazarus. Was bei Hughes und Plath blieb:  Ein Krebsgeschwür von Verdächtigungen und die  Metastasen  einer Lyrik, mit der sich Ted Hughes in dem Gedichtband „The Birthday Letters“ schonungslos dem Tribunal der Verdächtigungen stellte und eine gewaltige künstlerische Antwort gab, als man ihm die Unterstellungen einer Schuld am Freitod seiner Frau um die Sinne schlug. Die  Gedichte aus “The Birthday Letters” hat man als geschönte rezipiert, als Mythen, die der Wahrheit die Wahrheit abspenstig zu machen versuchen. Ihn hat dieses Urteil  vermutlich das Leben gekostet. In einem wahren Sinne, als er erfahren musste, dass sich das Schicksal seiner Frau nicht in Verse fassen ließ und ihre freien Rhythmen als gestelzte Lüge galten.  Als Reinwaschung von Schuld. Wie diesem Stigma entgehen, da auch seine zweite Frau, Assia Wevill, Selbstmord beging? Wie anders konnte es gewertet werden, als er  Sylvias  Tagebucheinträge aus den letzten drei Monaten ihres Lebens vernichtete (er wollte die Kinder schützen, so sagte er). Überdies strich er Passagen, die explizit erotischer Natur waren und solche, die sich kritisch mit Verwandten und Bekannten Sylvia’s auseinandersetzten. Was man ihm implizit vorwarf, war seine Untreue und mit ihr einhergehend seine Unfähigkeit als Funktion des Förderers ihrer Kunst. Er hätte sie zur künstlerischen Blüte bringen können, sie begleiten können, ihr helfen, so dass sie sich aus dem Schatten seiner sich anbahnenden Berühmtheit hätte herausschreiben können.
Sie “tobten sich aus mit Worten.” Sylvia hatte ihre Wahnsinnsliebe gefunden. Er “trägt tagaus, tagein denselben schwarzen Pullover und dieselbe Kordjacke, die Taschen vollgestopft mit Gedichten, frischen Forellen und Horoskopen.” Fünf Jahre nach der Hochzeit ist Sylvia an ihren Obsessionen gescheitert, nicht wegen Ted Hughes, sondern trotz. Das Ende einer komplizierten Liebesgeschichte, die auf der St.-Botolphs Party in Cambridge 1956 begann, dort, wo sie sich zum ersten Mal begegneten.

Es hat etwas von Vorsehung, wenn Ted Hughes in seinem Gedicht “Fulbright Scholars” das Desaster seiner Romanze mit Sylvia vorwegnimmt:  

           “It was the first peach
            I ever tasted
            I could hardly believe
            how delicious
            At twenty-five I was dumbfounded
            By my ignorance of the
            Simplest things  …. “

Der Monat Februar in London 1963 ist ein eisiger. Kälter war es nur 150 Jahre zuvor. Die Wasserleitungen waren zugefroren.  Sylvia ist 30 Jahre alt, ihre Kinder Frieda  und Nicholas Farrar 2 Jahre und 8 Monate. In ihrer Wohnung in der Fitzroy Road 23 hatte einst William Butler Yeats für kurze Zeit gelebt. Ein gutes Omen, so dachte Sylvia. Es ist ein eisiger Montag.  Sie nimmt Schlaftabletten und legt ihren Kopf in die offene Herdklappe des Gasofens. Vier Wochen zuvor ist ihr Buch “Die Glasglocke” unter dem Pseudonym Victoria Lucas erschienen. Der Roman wird in den 70er Jahren zum Klassiker.  Ihr lyrisches Spätwerk aus den Jahren 1962 und 1963 veröffentlicht Ted Hughes 1965 in der Gedichtsammlung “Ariel”. 1982 wurde Sylvia Plaths lyrisches Gesamtwerk in der Gedichtesammlung The Collected Poems publiziert und postum mit dem Pulitzer – Preis in der Kategorie Poesie ausgezeichnet.

Die Amsel

Du warst der Wärter deines Mörders –
Du saßt in seiner Haft.
Da ich dein Pfleger und Beschützer war,
Wurde ich mit dir bestraft.

Du wiegtest dich in Sicherheit. Die Nahrung,
Die ich gab, nahmst du.
Warfst mir wie ein Säugling
Verschlafene Blicke zu.

Du nährtest die Wut des Häftlings im Verlies
Durch das Schlüsselloch –
Dann kam er mit nur einem Satz
Die dunkle Treppe hoch.

Riesiger Klatschmohn glühte und verglomm
Vor dem Fenster: „Dort!“
Du zeigtest auf die Amsel, die den Wurm
Aus der Erde zog.

Der Rasen unberührt wie jene Seite,
Die wartet auf den Haftbericht.
Wer was auf ihr notieren wird,
War unwichtig für mich.

An der Ofentür auf seines Teufels Spieß
Krümmte sich ein stummer Mensch,
War ein Stift, der hinterließ
Falsch ist richtig, richtig falsch.

                                                                     (Ted Hughes)

Achim Spengler
Achim Spengler

Hier finden Sie Beiträge zur britischen und amerikanischen Literatur, zur Geschichte Großbritanniens und Irland. Auch Betrachtungen zur Philosophie kommen nicht zu kurz. Sie können mich aber auch zu Reisen nach Irland, England, Wales und Schottland begleiten.

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31 Comments

  1. Lieber Achim, oh je, während ich lese wird mir immer schwerer, enger…und ich muss tief Luft holen. So wie damals, als ich den Film “Sylvia” mit Gwyneth Paltrow sah. Einzig die Eröffnungsszene ist schön-heiter. Sie radelt so fröhlich durch’s schöne Cambridge – und die erste Zeit mit dem schönen Poet Laureate war wohl auch unbeschwert, aber dann…

    Danke für den Tipp mit Adresse!
    Liebe Grüße
    Dina

    • Liebe Hanne,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Den Film habe ich bislang nicht gesehen. Würde mich, glaube ich, damit auch schwer tun. Die traurige Familiengeschichte der Hughes-Plaths geht ja noch weiter, da sich auch Nicolas, ihr Sohn, umbrachte. So vieles darin ist so unerträglich tragisch, dass ich fast schon von Berührungsängsten reden muss, wenn ich mich mit diesem Stoff beschäftige.

      Liebe Grüße

      Achim

  2. Lieber Achim,
    mein Kalender berichtete am 11. in kurzen Worten vom Film “Sylvia” und ich legte das Kalenderblatt auf den Haufen “Interessant” auf meinen Schreibtisch, um später, wenn mehr Zeit vorhanden ist, zu recherchieren.
    So habe ich mich trotz der Traurigkeit des Berichts gefreut, bei dir mehr über Sylvia zu lesen.
    Ich denke, dass auch heute eine Beziehung zwischen zwei Kreativen fast unmöglich ist. Einer muss, gerade bei zwei Kindern, immer zurückstecken, egal ob Mann oder Frau. Oder es ist genug Geld vorhanden, für ein Kindermädchen und Haushaltshilfe.
    Die Kunst fordert die gesamte Kraft. Ich weiß leider nicht mehr, von wem das Zitat ist, aber die Worte haben sich in meinem Kopf eingebrannt: ” Die Kunst ist eine eifersüchtige(r) Geliebte(r)”.
    Ich wünsche dir einen schönen Tag, Susanne

    • Liebe Susanne,

      ich danke dir für deinen Kommentar. Es wird immer ein Restgeheimnis bleiben, welches denn nun die wirklichen Gründe für ihren Selbstmord waren. Dass Sylvia diejenige war, die eins von Ted Hughes Gedichten zu einem Lyrikwettbewerb in den Staaten anmeldete, ist eine nicht zu vernachlässigende Fussnote ihrer tragischen Beziehung. Das Gedicht gewann den Wettbewerb. Insofern war sie so etwas wie ein Geburtshelfer seiner Lyrik.

      Liebe Grüße

      Achim

      • Lieber Achim,
        ich habe oft in solchen Beziehungen beobachtet, dass die Frau ganz automatisch den organisatorischen Teil der Arbeit für den Mann mit übernimmt. Vielleicht ist es von der Evolution her den Frauen bestimmt gewesen so wie “den Haushalt führen”?
        So verwundert es mich nicht, dass Sylvia der Geburtshelfer war. Tragisch ist, dass ihre Arbeit, die sie bestimmt auch eingesendet hat, offensichtlich abgelehnt wurde. Arme Sylvia!
        Liebe Grüße Susanne

        • Hallo Susanne,

          meines Wissens hat sie keinen eigenen Wettbewerbbeitrag eingereicht. Und wenn doch, kommen wir in die Nähe des “verdienten” und “unverdienten” Urteils, wie es ja jeder Kritik unausweichlich inhärent ist. Vielleicht ist nur die Literaturgeschichte in der Lage, ein angemessenes und gültiges Urteil zu sprechen. Vielleicht.

          Liebe Grüße

          Achim

          • Ja, Achim, da hast du recht, jede Jurierung ist subjektiv und dem Zeitgeist unterworfen. Schade, dass wir nicht mehr erleben, was von unserer Zeit in 100 Jahren noch Bestand hat.
            Einen schönen Freitag und liebe Grüße von Susanne

    • Liebe Mützenfalterin,

      herzlichen Dank für deine netten Worte. Gern geschehen und Dir einen guten Aufenthalt auf der INSEL und auch mein Gedenken gilt in diesen Tagen Sylvia, aber auch Ted.

      Liebe Grüße

      Achim

  3. Danke für diesen wunderschönen, berührenden Artikel, der nicht leicht war zu lesen, aber dennoch so informativ. Von Sylvia Plath habe ich natürlich “Die Glasglocke” gelesen, ein Buch, das mir sehr am Herzen liegt. Herzlichen Dank an dich für diesen Artikel!

    • Liebe Mara,

      lieben Dank für deine Worte. Ich hoffe doch, dass ich nicht zu kryptisch schrieb und du deswegen diesen Beitrag schwer zu lesen fandest.

      Liebe Grüße

      Achim

  4. Lieber Achim,
    danke für diesen informativen Artikel über S. Plath, deren “Glasglocke” zu seiner Zeit als revolutionäres Werk galt.
    Ich hatte einen Freund (Fellow of Peterhouse College), der vor ein paar Jahren starb. Er hatte Ted Hugh in Cambridge erlebt. Er erzählte, dass Ted ruhelos und zugleich “pompous” durch Cambridge rannte, eitel bewusst, dass jeder ihn kannte. Er war damals berühmt, aber höchst unbeliebt, da er auf Einladungen mit lauter Stimme die Gespräche dominieren musste, sonst verschwand er beleidigt. Ich finde es erstaunlich, wie Silvia diesen Mann lieben kommte, der wenig mehr vorzuweisen hatte, als dass er Hofdichter war (poetus laureatus). Die Geschichte zeigt es deutlich: Wer kennt schon ein Werk von Ted Hughes? Aber die Literatur von Silvia Plath ist vielen bekannt. Ted Hughes wäre ohne Silvia Plath auf den Müllhaufen der Geschichte gelandet, denke ich.
    Übrigens den Film über Silvia Plath finde ich sehenswert.
    Ganz liebe Grüße von Norfolk
    Klausbernd

    • Lieber Klausbernd,
      den Film gibt es in Deutschland nur als UK Import. Erstaunlich, dass er nicht auch in deutsch zu kaufen ist. Naja, es ist wahrscheinlich kein Markt dafür vorhanden.
      An dem Film werde ich mein Englisch weiter trainieren,
      liebe Grüße nach Cley an dich und die Feen sendet Susanne

      • Liebe Susanne,
        viel Glück. Er lohnt sich betrachtet zu werden.
        Feines Englischüben 😉
        Liebe Grüße von
        Klausbernd und seinen munteren Buchfeen Siri und Selma 🙂 🙂

  5. Lieber Klausbernd,

    zuerst einmal danke für deinen Kommentar. Einige Bemerkungen hierzu:
    Ich liebe seine Gedichte. Das hat jetzt wenig zu sagen, bin ich doch sicher nicht der Gradmesser seiner sonstigen öffentlichen Aufmerksamkeit. Poeta Laureatus wurde er erst lange nach Sylvias Freitod. Nun ist dieser Titel ja nicht etwas, was man einem Dichter mal so eben hinterher wirft. Ich glaube, dass er diesen aufgrund seiner Lyrik auch verdient hatte. Dass Sylvia eine Art Geburtshelfer seiner Lyrik war, ist unumstritten und Hughes’ Gedichtband “The Hawk in the Rain” geschuldet, den sie beim New York Poetry Center Contest angemeldet hatte. Die Juroren damals waren u.a.: Marianne Moore, W.H. Auden und Stephen Spender, also keine kleinkalibrigen Kritiker und Künstler.
    In Cambridge pompös zu sein, verzeihe ich ihm 🙂 Diese Stadt hat aus nicht Wenigen idiosynkratisches Verhalten hervorgelockt. Über seine menschlichen Schwächen maße ich mir kein Urteil an. Dazu wird und wurde so viel kontroverses geschrieben und hinter allen Urteilen über ihn riecht es nach Parteigängertum.
    Judging the man by his words ….. and judging her love to him by her diary.

    Liebe Grüße aus Freiburg

    Achim

    • Lieber Achim,
      nur kurz, vielleicht liegt es daran, dass ich mit Ted Hughes` Gedichten auf dem Kriegfuß stehe. Aber ich fragte neulich auf einer Drinksparty mit dem normal gebildeten englischen Mittelstand, wer denn ein Gedicht von Ted Hughes kennen würde. Und weißt du was: KEINER. Natürlich kennt ihn jeder mit Namen, aber sein Werk ist im Gegensatz zu Sylvia Plath nicht mehr gegenwärtig. Ich habe nun nicht den Test gemacht und nach einem Werk von Sylvia Plath gefragt, bin mir aber sicher JEDER hätte sofort “Glasglocke” genannt.
      Schöne Woche, liebe Grüße
      Klausbernd

    • Liebe Sophia,

      ich danke dir für deine Worte. Schön, dass dir der Beitrag gefallen hat. Ich trug mich mit ihm schon einige Zeit, bis mir klarwurde, dass sich ihr fünfzigster Todestag näherte und ich mich sputen musste *g Während ich ihn schrieb, erinnerte ich mich deutlich an meine Studentenzeit (frühe 80er Jahre), als ich anlässlich eines Lyrikseminars ihren Namen unter den zu lesenden Lyrikern vermisste. Ich habe dann alles Verfügbare von und über sie in einer Art Sylvia Gedächtnis Seminar für mich selbst gelesen und ich erinnere mich, wie sich so manchesmal ein Kloß in meinen Hals setzte.

      Liebe Grüße

      Achim

      • das klingt nach einer art seelenverwandtschaft.

        ich bin froh, durch deinen artikel mehr biografisches erfahren zu haben. thanks again.

  6. Lieber Achim,
    was für eine Wucht in den Worten ihrer ersten Begenung steckt, ich lese mehr als nur Leidenschaft und Hingabe, es ist ein Orkan …
    Der Satz ““Er ist ein Genie. Ich bin seine Frau.” macht mich auf der Stelle wütend (auch traurig)- na klar, weil ich etwas damit zu tun habe, mehr möchte ich gar nicht dazu sagen.
    Ich denke auch an die Eifersucht der Künstler aufeinander, wieviel schwieirger muss da eine Liebesbeziehung sein, wenn man nicht in der Lage ist auf gegenseitiger Augenhöhe zu leben, sich nicht an dem Werk und vielleicht auch an dem Erfolg des/der anderen mitzufreuen und wieviele Frauen sind hinter den schweren Rücken ihrer Männer verschwunden. In einem Film über Max Ernst taucht seine letzte Ehefrau auf, es wird ein Bild von ihr gezeigt, das mich sofort in seinen Bann zog … meine Recherchen nach ihr (gerade ist mir ihr Name nicht present) und mehr Bilder blieben bislang erfolglos- ich seufze und sage typisch …

    vielen Dank für deinen wunderbaren Artikel, der so vieles in mir auslöst worüber ich nun im Stillen denken werde

    herzliche Grüße vom Berg ins Tal
    Ulli

    • Dorothea Tanning heißt sie, Ulli, ich habe ein Buch über sie. Sie ist auch relativ bekannt. Das Buch muß ich suchen, ich habe es leider nicht auf Anhieb gefunden.
      Mir fällt auch gleich Lee Krasner, die Frau von Pollock ein.
      Es kommt auch ein wenig auf die Frau an, es gibt Dinge, die muß Frau nicht tun, auch wenn es von ihr erwartet wird. Sicher, ich habe gut reden, heute ist es einfacher als früher. Vielleicht.
      Eifersucht und Neid zwischen Künstlern ist ein weites Thema. Ich habe beides kennengelernt, den Neid auf mich und auch sehr gute Zusammenarbeit. Ich setze immer auf die Zusammenarbeit, bei der jeder profitiert. Es ist eine Frage des Selbstbewußtseins. Und es muß ein Geben und Nehmen sein. Sobald sich bei einer Zusammenarbeit einer auf den Lehnstuhl setzt und nicht mitarbeitet ist eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Auch das habe ich oft erlebt. Aber wer nicht versucht, der kann keine Erfahrungen machen. Gute wie Schlechte….
      Einen schönen Tag wünscht dir Susanne

      • liebe susanne,

        velen, vielen dank, ich muss den namen falsch verstanden haben, denn gugel gab nix her, jetzt aber richtig viel, ich bin dir wirklich dankbar, weil mich ihr werk nach diesem film immer interessiert hat!
        was du zur zusammenarbeit schreibst, unterschreibe ich … ich bin froh, dass ich viele gute erfahrungen machen durfte, die negantiven gehören dazu, daran lernt man, wie man es selbst nicht will …

        hab einen schönen abend
        herzliche grüße ulli

    • Liebe Ulli,

      lieben Dank für deinen Kommentar. Diese Eingangsszene ihres Kennenlernens zeigt für mich auch die “erobernde” Leidenschaft, zu der Sylvia Plath fähig war. Sie nimmt sich, sie steckt Grenzen, sie erobert und vermittelt unverstellt, dass es die Lyrik von Hughes und sein Äußeres zugleich war, dass sie anzog. Keine Ahnung, was die Konventionen des Flirtens, des Anbandelns zur damaligen Zeit als Etikette vorschrieben. Sie hat auf jeden Fall dagegen agiert. Und diese Freiheit, welche man ja als Paradebeispiel einer emanzipierten Frau deklarierte, ließ gleichwohl zu, dass sie aus ihrer Perspektive seine Lyrik hochstellte und ihre vermeintlich kleiner machte als sie war. Wie ich finde eine Geste, die nichts von dem nahm, zu was sie fähig war. In der Geschichte der Kunst vor allem gibt es einige Beispiele dafür, dass auch männliche Künstler sehr wohl wussten und dies auch eingestanden haben, dass sie ohne ihre weiblichen Musen nicht das waren, zu was die Kunstgeschichte sie später machte. Alma Mahler für Oscar Kokoschka. Felice Bauer für Franz Kafka. Else Lasker-Schüler für Gottfried Benn und umgekehrt. Lou Andreas-Salomé und andere für Rilke, Nietzsche und Frank Wedeking. Starke Frauen, die sehr wohl von ihrer Rolle wussten und diese auch im guten Sinne egoistisch eingesetzt haben.

      Liebe Grüße

      Achim

  7. Eine wunderschöne berührende Hommage an Sylvia Plath. Was für eine tragische Liebesgeschichte; ich wusste bisher nichts von Ted Hughes. Wenn zwei Künstler ein Paar bilden, ist es fast immer schwierig und zur damaligen Zeit, als sich die Frauen noch weniger das Recht auf eigenständige künstlerische Tätigkeit herausnahmen, war es erst recht problematisch. Dazu ihre psychische Disposition…, die ausgerechnet auf einen Mann traf, der offenbar – so schließe ich aus deinen Worten Worte – ein ausgeprägter Narzisst war.

    • Liebe rotewelt,

      herzlichen Dank für deine Worte. Narzissten waren wohl beide Charaktere. Kunst ohne eine gewisse Art permannenter Selbstbespiegelung ist auch heute wohl kaum zu haben. Im Wettbewerb der Stile, der Richtungen, der Inhalte und der Formen ist vermutlich die feste Burg eines hohen Selbstgefühls unabdingbar dafür, sich diesem Wettbewerb zu stellen.

      Liebe Grüße

      Achim

  8. Reblogged this on Entdecke England and commented:
    Lieber Achim, danke fuer diese einfuehlsame Biografie. Es ist vielleicht ein Jahr her, dass ich den Film “Sylvia” mit Gwyneth Paltrow und Daniel Craig gesehen habe. Mein eigenes Baby schlief oben in seinem Bettchen und ich erinnere mich, wie mir ein Kloss im Hals stecken blieb bei der Szene, als sie ihren Kindern etwas zu essen ins Zimmer stellte, die Tuer abklebte und den Gashahn aufdrehte. Ich erlaube mir mal einen Reblog, um meine englische Buecherecke etwas zu bereichern. Lieben Gruss, Peggy

  9. Ich war mir sicher, dass du einen Text zum Todestag von Sylvia Plath verfassen würdest – und freu mich, dass ich mit meiner Vermutung recht behalten habe (und dass manches eben doch nicht nur scheinbar, sondern tatsächlich so ist wie es war ,-). Was für eine zerrissene, traurige, um Wahrheit ringende, leidenschaftliche und sehnsüchtige Frau Sylvia Plath gewesen sein muss – und wie verzweifelt – ich trau’s mich ja kaum zu sagen – vielleicht auch überspannt und haltlos muss sie gewesen sein, um sich umzubringen und ihre Kinder zurückzulassen. Ich muss gestehen, dass ich mit Sylvia Plath als Schriftstellerin wenig anfangen kann und dass mir auch ihr Unglück und ihre Leidenschaft nicht den literarischen Weg zu ihr ebnen. Ted Hughes ist mir nur namentlich ein Begriff, du hast mich neugierig gemacht – ich werde jetzt mal ein wenig stöbern. Jedenfalls ist Sylvia Plath als Schriftstellerin in guter Gesellschaft anderer Frauen, die – speziell im ausgehenden 19./Anfang des 20. Jahrhunderts – mit Männern zusammen waren, die ihnen einen Teil ihrer Schaffens- und Lebenskraft genommen haben, und die dann später vom Ruhm ihrer talentierteren und früher verstorbenen Frauen gezehrt haben. Katherine Mansfield und Virginia Woolf fallen mir da an vorderster Stelle ein. Es ist sicher kein Zufall, dass viele große Schriftstellerinnen – in unterschiedlichen Jahrhunderten und aus unterschiedlichen Gründen – männerlos geblieben sind. Jane Austen, Fanny Burns, die Brontes, Willa Cather, Djuna Barnes, Edith Wharton etc.

    Danke dir für die kompetente, einfühlsame und anregende Würdigung.

    • Liebe rotundschwarz,

      ich lege dazu Angelika Kauffmann und Maria Sybilla Merian in den Topf, die sich von ihren Männern aus den obigen Gründen getrennt haben….

      Eine Partnerschaft ist immer mit Kompromissen verbunden, das ist normal und gut so, aber die Kunst verträgt diese Kompromisse nicht. Ich möchte auch keine Kompromisse in Bezug auf meine Kunst eingehen. Aber dafür kann ich keinem anderen die Schuld geben. Es ist eine Entscheidung, die ich getroffen habe, so wie sie Jane Austen, Fanny Burns usw. auch irgendwann getroffen haben.

      Das Glück liegt nicht alleine in einer Ehe oder Partnerschaft. Das Glück liegt auch in der Kunst! Es ist wichtig, dies zu erkennen! Es ist kein Verzicht sondern eine Entscheidung.

      Liebe Grüße von Susanne

  10. Liebe K.

    danke für deinen Kommentar. Männliche Macht und männliche Herrschaftsverhältnisse haben sich auch immer in den Betriebsstätten der Kunst und der Literatur ausgetobt. Noch heute wird die Künstlerin zuallererst als Frau wahrgenommen und ihre Werke durchlaufen mehr als bei jedem männlichen Künstler immer auch Fremdurteile, die sehr stark an ihrem biografischen Hintergrund und an ihren “rollenspezifischen” Gründen und Motiven festmachen. Der Mann hat sich diesen Urteilen weit weniger zu stellen. Aber du bist vom Fach und vielleicht liege ich da falsch.
    Mir fällt spontan eigentlich nur Jane Austen ein, als eine Literatin und Bürgerin, die sich, genommen von allem, was ich über sie wissen darf, annähernd weiblich autark ihrem Leben und ihrer Kunst widmete. Sie erscheint mir als das, was Richard Rorty “liberale Ironikerin” genannt hat: als eine Person, für die Grausamkeit das Schlimmste ist und die weiß, dass Überzeugungen und Bedürfnisse kontingent sind. Als eine, die es schaffte, sich vom Gängelband patriarchalischer materieller Unterstützungen durch ihre Romane und den Verdiensten, die sie daraus zog, “freizukaufen”.
    Von Ted Hughes kann ich dir wärmstens “Birthday Letters” empfehlen, in dem er über einen langen Zeitraum seit Sylvia’s Tod vor allem sich selbst Rechenschaft abgab über diese amor fati.

    Liebe Grüße

    Achim

  11. Dein Artikel hat mich sehr berührt, brother.
    Ich bin traurig und geschockt, fühle mich angesprochen und bin sehr neugierig geworden auf das Leben von Sylvia.
    Danke, einmal mehr, dafür mein Interesse geweckt zu haben!
    Keeper

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