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Schönheit

Leonardo da Vinci

Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Keine Ahnung, woher dieser Sinnspruch stammt und wer ihn ins Leben rief. In meinen Augen lag die Schönheit nie. Und man darf mir glauben, wenn ich sage, dass ich in früheren Zeiten, bis hin zur Mitte meines Lebens, täglich ein Auge auf meine Augen geworfen habe. In Iris und Retina traf ich die Schönheit nicht an. Was meine Vermutung untermauerte, dass sie stets an anderen Orten weilt, sich sozusagen immer im  Status der Flüchtigkeit befand, behaust in den Augen aller Anderen.

Vielleicht war Friedrich Hebbel der Erfinder jener Relativitätstheorie der Schönheit. Er sagte sinngemäß, dass jeder Mensch einen Zauber im Gesicht trägt, solange, bis dieser irgendeinem gefällt. Die Schönheit muss demzufolge nie auf lange Wanderschaft gehen, bis man sie entdeckt. Der Zauber im Gesicht jedoch hat sich auf längere Reisen einzurichten, bis er durch Gefallen endlich geadelt wird.
Das Schöne am Altern ist, dass man aus Gründen des Selbstschutzes dem Spiegel freiwillig aus dem Weg geht. Im Vermeiden der Blicke, die vom menschlichen Spiegel und dem Badezimmerspiegel zurückgeworfen werden liegt eine Freiheit, deren erstrebenswerter Gipfelpunkt das Stadium der vollkommenen Blindheit ist. Ich bin guten Mutes, dass ich mir in Zeiten medialer Prostitution diverser Vorstellungen und Projektionen von Schönheit mein Seelenheil durch dauerhafte Nichtbeachtung des Catwalks aller Schönheiten bewahren kann.
Das Altern und der mit ihm daherkommende blinde Blick gibt auch der Erkenntnis des Verwelkens  der äußeren Reize und des äußeren Scheins einen zeitlichen Aufschub. Man bewahrt tief in sich das Imago der eigenen, ewigen Jugend. Bis dieses Bild endlich durch die Einsicht abgelöst wird, dass  Schönheit und Vergänglichkeit Nachbarn im gleichen Reihenhaus des Schicksals sind.
Und am Ende stehen auch nicht die inneren Werte, welche als schön zu gelten haben. Ich für meinen Teil stelle es mir schwierig vor, die Schönheit ab sofort in Leber und Niere anzutreffen. Oder im Humor und seinem krächzenden Lachen. Oder in der tatterigen Empathie, die man in Großväterchenart besonders der Jugend zukommen lässt. Am Ende steht nur das Verwelken. Vermutlich ist das Postulat der Schönheit, die ganz im Inneren liegt, nur das letzte Aufbäumen der Hässlichkeit, von denen erfunden, die sich ein anderes Schicksal wünschten.
Arthur Schopenhauer: “Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das Schöne zu nennen, konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt fertigbringen.”
Durch die Brille der Geschlechter gesehen, hebt sich das Relative an der Schönheit ziemlich grausam auf und wird zum absoluten Richterspruch.  Wohl bekomms.

2 Comments

  1. Lieber Achim,

    ein wunderbarer Beitrag von dir zum Thema Schönheit! Das Schopenhauerzitat ist klasse. 🙂
    James Joyce:
    „Das Ziel des Künstlers ist die Erschaffung des Schönen. Was das Schöne ist, ist eine andere Frage.“

    Schönen Abend dir,
    wir machen Feierabend, Klausbernd holt mehr Holz und ich werde eine Flasche Wein aufmachen, ganz gemütlich vorm Kamin… 🙂
    Hanne

  2. Betrachtung impliziert Reflexion. Der Gedanke, dass Schönheit und Vergänglichkeit Nachbarn im gleichen Reihenhaus des Schicksals sind, kommt meiner Auffassung von Schönheit schon ziemlich nahe. Den Begriff von der Jugend abzukoppeln, ist meines Erachtens die größte Herausforderung im Leben. Spätestens ab 50. Aber ob dieses Unterfangen blind zu meistern ist? Die Augen zu verschließen, das will mir nicht gelingen, ich will die Schönheit genau darin sehen, im Prozess des Welkens und Vergehens. Zumindest arbeite ich daran…

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