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Internet und Narzissmus

Das erinnert an Freud’s Theorem der Autoerotik als einer besonderen Form einengender Verhaltensmuster, die in der Hauptsache um das Individuum selbst kreisen. In der virtuellen Welt, so wird behauptet, wird sich das Selbstbegehren im frei gestaltbaren und befriedigend glückhaften partnerschaftlichen Begehren auflösen.
Ein anderer Aspekt sei, dass jedem Individuum eine tausendfach vervielfältigbare Stimme verliehen wird, mit der es endlich auf sich aufmerksam machen kann. Das Individuum wird, wenn schon nicht gesehen, so doch wenigstens gehört. Es kann sich zeitnah und dauerhaft auf den Basaren der Meinungen und auf den Jahrmärkten der Eitelkeiten tummeln und verewigen.
Dort könnte der Einzelne sich ganz und gar der Hingabe widmen. Der Hingabe zu Meinungen und Haltungen, der Hingabe zu Ideen der Selbstverwirklichung. Der Einzelne kann die Hingabe des Selbsts und die gleichzeitige, friedfertige und ekstatische Auflösung in den Kollektiven Gleichgesinnter feiern.
Es mag sein, dass sich das Internet tatsächlich als Platz der Inquisition menschlicher Eigenliebe eignen könnte. Dass es als Verdikt gegen das von sich selbst begeisterte, endliche Ich herhalten könnte. Dass es als Analyseinstanz und als Therapie des egoistischen Missbrauchs des Begriffs der menschlichen Freiheit dienen könnte. Dass es Gemeinschaftlichkeit fördert. Dass es sich als Ort eines neuen Verständnisses von Rätedemokratie entpuppen könnte. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Das Internet funktioniert nicht als ordnende Moralinstanz. Es potenziert lediglich Dostojewski’s Wort vom Menschen als zweibeiniges undankbares Tier. Oder nach Thomas Hobbes: homo homini lupus, der Mensch ist dem Mensch ein Wolf. Ein Tier, das in alle Richtungen kratzt und beißt, immer dorthin, wo es den Feind vermutet. Es potenziert den Wahnsinn des Gekreisches von Jaques Derrida’s selbstredenhörenden Worten. Es befördert den Massenindividualismus aller Narzissten dieser Erde. Es fördert keine Gemeinschaft, sondern das Entsetzen darüber, dass ich als Einzelner unter anderen Einzelnen verbleibe. Gefangen in den virtuellen Einzelzellen, die als Verdoppelung der real existierenden Einsamkeiten dienen.